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E-Mobilität"Die Berliner sind flexibel"

Florian Hacker vom Öko-Institut sieht in Berlin viel Potenzial für Elektromobilität - wenn endlich mehr Menschen damit vertraut werden.

So weit reicht der Strom noch. Bild: dapd
Interview von Juliane Schumacher

taz: Herr Hacker, die Bundesregierung plant ein neues Förderprogramm für Elektromobilität. Am Vorgängerprogramm war Ihr Institut mit mehreren Forschungsvorhaben beteiligt. Viele Experten sagen, die Gelder seien wirkungslos verpufft.

Florian Hacker: Das Förderprogramm, das die letzten zwei Jahre lief, war breit angelegt, auch in der Modellregion in Berlin und Potsdam. Sicher konnten nicht alle Projekte die Erwartungen erfüllen. Aber so ist das, wenn man ein neues technisches Feld betritt: Elektromobilität ist für alle Akteure ein Lernprozess. Und wie bei jeder Innovation gehört auch dazu, aus Problemen in der Praxis zu lernen.

Das neue Programm "Schaufenster Elektromobilität" zielt stärker auf Außenwirkung.

Ja, diesmal soll die Förderung räumlich konzentriert sein, und die Projekte sollen im Rahmen eines "Schaufensters" regional besser vernetzt sein. Es geht unter anderem darum, Menschen in Kontakt mit Elektrofahrzeugen zu bringen. Denn in Medien und Politik gibt es zwar eine breite Debatte über Elektroautos, aber nur die wenigsten sind schon mal in einem gesessen. Gleichzeitig bietet das Schaufenster eine Gelegenheit, Elektromobilität in Verbindung mit anderen Verkehrsmitteln zu erproben.

Florian Hacker

Der 32-Jährige ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Öko-Institut Berlin und wirkte an Studien zur E-Mobilität mit.

Spiegeln die Berliner Projekte das wider?

Zum großen Teil, ja. Die Projekte decken ein breites Spektrum von Elektromobilität ab. Zum Beispiel sind auch der Lieferverkehr und gewerbliche Fuhrparks einbezogen. Ein weiterer großer Vorteil von Berlin ist, dass es hier mit Bus, Tram, S-, U- und Regionalbahn zahlreiche Optionen bei der Verkehrsmittelwahl gibt. Der Pkw-Besitz ist im Verhältnis zu anderen deutschen Städten gering, die Berliner sind flexibel bei der Wahl des Fortbewegungsmittels. Auch zeigt unsere Forschung, dass im urbanen Milieu die Akzeptanz für Elektroautos und andere alternative Mobilitätskonzepte besonders hoch ist.

Elektromobilität ist eher etwas für die Großstadt?

In der jetzigen Form, ja. Das Potenzial von reinen Elektroautos liegt dort: bei der kombinierten Nutzung mit öffentlichen Verkehrsmitteln, fürs Car-Sharing, auf kurzen Strecken. Auf dem Land ist die Nutzung solcher Pkw auf jeden Fall erschwert: Akkus für lange Überlandfahrten sind in der jetzigen Form zu schwer und zu teuer, in dünn besiedelten Räumen ist der Aufbau eines dichten Ladenetzes schwieriger. Für ländliche Räume fehlen wirkliche Alternativen zum herkömmlichen Individualverkehr. Dort könnten Plug-In-Hybridfahrzeuge, die auch einen konventionellen Motor besitzen, künftig eine wichtigere Rolle spielen.

Was könnte die Umsetzung in Berlin erschweren?

Die geringe Wirtschaftskraft könnte ein Problem darstellen, besonders im privaten Bereich. Elektromobilität ist insbesondere in der Anfangsphase eine teure Angelegenheit. Andererseits kann dieser Umstand auch Ausgangspunkt für neue Besitz- und Nutzungskonzepte sein. Dann besitzt man das Auto eben nicht mehr selbst, sondern nutzt es gemeinsam mit anderen.

In den letzten Tagen ist sehr kontrovers diskutiert worden, wie umweltfreundlich Elektroautos tatsächlich sind.

Bei Elektromobilität stellen sich neue Fragen: Es geht nicht nur um das Ersetzen einer Antriebstechnologie durch eine andere. Beim Elektroauto muss stärker als beim konventionellen Pkw das Umfeld mitgedacht werden: Wie wird der Strom erzeugt, mit dem es fährt? Wie ist es in das Angebot an anderen Verkehrsmitteln eingebunden?

Wie klimaschädlich oder nicht, hängt vom Strommarkt ab?

Genau. Wirklich klimafreundlich sind Elektroautos, wenn sie mit zusätzlichen erneuerbaren Energien betrieben werden. Das Schaufenster bietet die Möglichkeit, das Zusammenspiel von Elektromobilität und einer zunehmenden regenerativen Stromerzeugung zu erproben. Berlin und Brandenburg sind exemplarisch dafür: Brandenburg produziert mehr Strom, als es nutzen kann. Aber gerade regenerative Energien wie Windkraft haben starke Schwankungen. Ihre Spitzen, die Zeiten höchster Produktivität, liegen teilweise in Zeiten geringer Stromnachfrage und können dann nicht genutzt werden. Elektroautos können eine zunehmende Bedeutung für die Zwischenspeicherung haben. Aber es ist klar: Um die langfristigen Klimaschutzziele zu erreichen, reicht ein Umstieg auf Elektroautos alleine nicht aus.

Interview:

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