Durchsuchungen von AfD-Büros: Suche nach der schwarzen AfD-Kasse
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat am Mittwoch zwei Razzien bei der AfD in Niedersachsen durchgeführt. Es geht um Verstöße gegen das Parteiengesetz.
Dann marschierten Dutzende Polizisten in den tristen Gewerbebau, in dem sich die Geschäftsstelle der niedersächsischen AfD befindet und fingen an, Kartons mit mutmaßlichen Beweismitteln herauszutragen.
Schnell sickerte durch, dass es sich bei einem der beiden Abgeordneten um Ansgar Schledde handeln muss. Zur Plenarsitzung war der stellvertretende Vorsitzende der Landtagsfraktion nicht aufgetaucht.
Gerade eben war er noch als möglicher neuer Landesvorsitzender gehandelt worden – jetzt lässt die Staatsanwaltschaft Hannover die Räume der Landesgeschäftsstelle und seines Heimat-Kreisverbandes Ems-Vechte durchsuchen.
Die „Kriegskasse“ ist lange bekannt
Der Verdacht: ein Verstoß gegen das Parteiengesetz. Schledde soll ein Privatkonto verwaltet haben, auf dem Spendenzahlungen ambitionierter AfD-Mitglieder eingingen und aus dem – zumindest teilweise – Wahlkampfausgaben bestritten worden sein sollen, ohne dass dies in irgendeinem Rechenschaftsbericht der Partei auftaucht.
Ein solcher Verstoß gegen das Parteiengesetz kann mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe belegt werden, erklärt die Staatsanwaltschaft. Noch handele es sich allerdings um einen Anfangsverdacht und es gelte wie immer die Unschuldsvermutung.
NDR, Hannoversche Allgemeine Zeitung und Neue Presse, die zuerst über die Razzia berichteten, erklärten, ihnen lägen detaillierte Informationen zu den Einzahlern vor. Demnach sollen sich darunter Landtagsabgeordnete und Bundestagsabgeordnete der AfD Niedersachsen befinden.
Ausgaben von rund 48.000 Euro sollen die Ermittler Parteizwecken zugeordnet haben, im Fokus stehen dabei die Jahre 2020 bis 2022. Unter anderem sollen im Umfeld von Parteitagen damit Busse gechartert und Hotelzimmer gebucht worden sein.
Gerede über eine solche „Kriegskasse“ gibt es allerdings schon lange. Öffentlich bekannt geworden waren die Vorwürfe zum ersten Mal durch den ehemaligen AfD-Landtagsabgeordneten Christopher Emden. In einem Interview mit dem ZDF hatte er im Herbst 2022 gesagt, er sei aufgefordert worden, für einen aussichtsreichen Listenplatz bei der Landtagswahl 4.000 Euro zu bezahlen. Ein Vorwurf, den er gegenüber dem NDR auch jetzt wieder bekräftigte.
Anfechtung der Landtagswahl wird noch verhandelt
Für den Ex-FDP-Abgeordneten und Rechtsanwalt Marco Genthe war das schon im November 2022 Grund genug, die Rechtmäßigkeit der gesamten Landtagswahl anzuzweifeln. Der Wahlprüfungsausschuss wies seine Beschwerde allerdings zurück: Er betrachtete den Zusammenhang zwischen Listenplatz und Zahlungen als nicht hinreichend belegt.
Der Landtag schloss sich der Empfehlung des Wahlprüfungsausschlusses an. Genthe klagt zusammen mit seinem Mitstreiter Alexander Grafe nun vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof dagegen und pocht auf eine Wiederholung der Landtagswahl. Die Gerichtsverhandlung wird aber frühestens im Herbst erwartet.
Auch die Staatsanwaltschaft Osnabrück hatte schon mal in der Sache ermittelt, das Verfahren aber eingestellt. Hier ging es vor allem um den Vorwurf der Untreue zulasten der Partei, der nicht erwiesen schien.
Landesparteitag an Hitlers Geburtstag entscheidet über Vorsitz
Schledde hatte die Vorwürfe stets bestritten. Das Landgericht Verden hatte die Vorwürfe Emdens allerdings noch im März als glaubwürdig beurteilt, wie der NDR vermeldet. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, weil Schledde Rechtsmittel eingelegt hat. Der Ex-AfDler Emden arbeitet mittlerweile wieder als Richter beim Amtsgericht Westerstede.
Für den Bauunternehmer Schledde, der nicht nur Landtagsabgeordneter ist, sondern auch im Kreistag der Grafschaft Bentheim und im Stadtrat von Schüttorf sitzt, kommt der Zeitpunkt der Razzien ungelegen. Am kommenden Wochenende wollte er sich eigentlich zum AfD-Landesvorsitzenden wählen lassen, sein Vorgänger Frank Rinck soll davon erst aus der Zeitung erfahren haben.
Rhetorisch springt Rinck jetzt trotzdem für seinen Noch-Vize in die Bresche: Die Vorwürfe seien „kalter Kaffee“, „eine Schmutzkampagne“, die Durchsuchung im Vorfeld des Parteitags und bei laufendem Europawahlkampf völlig unverhältnismäßig, heißt es in einer Mitteilung der Partei.
Die Wahl von Datum und Ort für den anstehenden Landesparteitag hatte allerdings auch schon für Protest gesorgt: Er findet am 20. April, Hitlers Geburtstag, in Unterlüß bei Celle statt, nicht weit von dort, wo einmal ein Außenlager des KZ Bergen-Belsen stand. Zahlreiche Gruppen haben deshalb für Samstagvormittag zu Gegendemonstration und Protestaktionen aufgerufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation