Durchs Dröhnland: Dickbauchrock o.k.
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Weil Mark Perry erkrankt ist, müssen wir leider auf die Punklegende Alternative TV verzichten. Und weil er auch noch trommelt bei den als Vorgruppe verpflichteten Long Decline, wird die Vorvorgruppe plötzlich zum Hauptact. Deswegen werden die Zen-Faschisten ins kleine Kino des K.O.B. verbannt, wo zwar nur 50 Sitzplätze zur Verfügung stehen, aber dafür ein Filmchen projiziert werden kann. Was es da wohl zu sehen gibt, wenn man weiß, daß Sänger Tomy (übrigens der Neffe des Melitta-Mannes) gerne erklärt, die RAF sei ein klasse Popphänomen? Wenn er nicht Journalisten verwirrt, dudelt der Kölner mit seinen Kumpanen überzeugt dilettantisch vor sich hin, auch weil Tomy am liebsten mit „Leuten, die nichts können“ zusammen spielt.
Daß da aber mehr dran sein muß, beweist die Wertschätzung der Zen-Faschisten durch Alec Empire von Atari Teenage Riot und Jan Werner von Mouse on Mars, die das durch Zusammenarbeit zum Ausdruck brachten. Charmant spielen die Zen-Faschisten dann eben alles, was sie nicht können, aber das mit leichter Hand und ohne sich jemals lächerlich zu machen. Manchmal lassen sie den Kunstanspruch sogar tanzen, aber da sind heute abend dann doch leider die Sitzreihen vor.
Heute, 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157
Keine Hamburger Schule, weil aus Münster, aber sonst stimmt vieles überein. Zwar ist die Gitarre von Samba krachender als weiter im Norden, aber die Melodien dahingerotzt wie nix Gutes und der Name gewählt nach dem adidas-Fußballschuh aus den 70ern, damals billig, heute nur in teuren Neuauflagen zu erstehen, weil in den 90ern zum Kultobjekt in Skater- Kreisen geadelt. Aber zurück zu unserem Trio, das die Hits aus dem Ärmel schüttelt wie nix Gutes – Hits, die einen trotz des kratzigen Sounds ganz weich umfassen. So wie Nirvana ungefähr, ja tatsächlich. Wem also Blumfeld zu kopflastig sind, Tocotronic zu weinerlich, der findet bei Samba möglicherweise seine Bekehrung zur Schönheit des Deutschrocks (ein Schimpfwort, das demnächst umbedingt wieder umbewertet werden sollte). Denn wenn Samba singen über Delphine, die nachdenken, oder das Kühlschranklicht, das fröhlich auf sie scheint, kann man nur staunen über jugendliche Unverfrorenheit in Verbindung mit herzerwärmender Phantasie.
Heute, 20.30, marquee, Hauptstraße 30
Im Gegensatz dazu besorgen Foa Hoka aus der Ukraine eher den Soundtrack für deinen nächsten Selbstmordversuch. Leidensgesänge, daß selbst Downers vor Scham zerbröseln, dazu klimpern irgendwelche, aber nur ganz wenige, Instrumente immerzu sehr magere Tönchen – dünn wie das Hanfseil, das von der Decke baumelt. Traurig, aber wahr.
Heute, 22 Uhr, Anorak, Dunckerstraße 14; 16.3., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68; 22.3., 22 Uhr, Ex 'n' Pop, Mansteinstraße 14
Sie haben mit „Highway Star“ den Speed-Metal vorweggenommen, mit „Smoke on the Water“ den Prototyp des Metalsongs geschaffen und mit „Child in Time“ sogar das bessere „Stairway to Heaven“ abgeliefert. Und nebenbei und zu Recht fast vergessen auch noch die unsägliche Ehe zwischen Klassik und Rock mit eingeleitet. Aber das ist fast dreißig Jahre her, und inzwischen rult bei Deep Purple nur noch der Dickbauchrock o.k., und das muß man sich wirklich nicht antun.
15.3., 20 Uhr, Deutschlandhalle, Messedamm
In diese Gymnasiasten dürften ein paar Elternpaare ziemliche Unsummen an Instrumentalunterricht gesteckt haben, und daß sich das auch lohnt, befindet sich eine Schülerband aus Erfurt und Weimar jetzt auf der Suche nach dem Majorvertrag. Gewonnen haben die Burning Flowers ein paar Nachwuchswettbewerbe mit ihrem übergeschmackvollen Weichspülpop, der jedes laute Wort und jeden aus dem Rahmen fallenden Ton scheut wie der Teufel das Weihwasser. Das mit dem lukrativen Plattendeal wird auch noch klappen, denn ihr geschmackvoller Erwachsenenpop ist zwar nicht überraschend, aber dafür beängstigend stilsicher.
18.3., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39
Vor fünf Monaten sollten sie eigentlich spielen, waren hier angekündigt, dann wurde der Auftritt am Tage des Konzerts abgesagt. Seitdem hat sich natürlich nichts an der Klasse von Boss Hog geändert, der Band um Cristina Martinez und Jon Spencer, die sich bei den verblichenen New Yorker Noise-Pionieren Pussy Galore fanden.
20.3., 21 Uhr, Huxley's Jr.
Was soll man von einer Band halten, die der professionelle Hutständer Udo Lindenberg als „Deutschlands Randaleband Nummer eins“ bezeichnet hat? Ist das nicht eher abschreckend? Nicht für Knorkator, die gehen damit sogar hausieren. Irgendwie fügt sich das ja auch in ihren Entwurf, der jede erdenkliche Sorte Trash mit einschließt, ob sie sich nun nackt fotografieren und sich dann zu Neutren retuschieren lassen oder sich am längst ausrangierten Modell Gesamtkunstwerk versuchen, indem sie Lesungen in ihre Konzerte einbauen.
Den großen Bogen schlägt auch ihre Musik, wo die Elektronik schüchtern fiepst und piepst, während die Gitarre dröhnt wie beim Bäumefällen und Sänger Stumpen austestet, was Stimmbänder im Extrembereich denn so hergeben. Das Berliner Trio schreckt vor nichts zurück, jede Idee ist gut genug, um ausprobiert zu werden, da werden peinliche Ausrutscher programmatisch überhöht, aber dafür hat man wohl selten Musik gehört, die so verspielt und gleichzeitig so gewalttätig ist.
21.3., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Eintritt frei! Thomas Winkler
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