piwik no script img

Durchs DröhnlandVerlorener Blick ins Leere

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Extreme Noise – schöner Name und auch recht treffend. Die Saarbrücker waren einmal ein Trio, sind aber inzwischen zum Quartett gewachsen. An ihren Instrumentals hat das nicht viel verändert: Noch immer spielen Extreme Noise eher Jazz denn Rock, wenn, ja wenn, da nicht diese Sounds wären. Klingt wie Heavy Metal, strukturiert sich aber wesentlich komplizierter. Die Stimme wird selten und dann einfach als zusätzliche Klangalternative eingesetzt und wiederholt gerne den ewiggleichen Satz, während das vorgegebene Thema auseinandergenommen, gedehnt und gepreßt, noch mal verhackstückt und dann links liegengelassen wird. Extreme Noise fangen erst da an, wo Metallica nach „And Justice For All“ aufgehört haben. Und das sehr ernsthaft, wie es sich für Deutsche eben ziemt.

Am 10.9. um 23 Uhr im Eimer, Rosenthaler Str. 68, Mitte, und am 11.9. im Club im Park, Fürstenwalde

Zirpel, zirpel, klöppel, zirpel, klöppel, schab, schab, pfeieieif, pfeif, pfeif, zirpel, geig, geig ... In The Nursery heißen nicht nur „Im Kinderzimmer“, sie klingen auch wie losgelassen auf einen Berg von Elektronik, der herrenlos rumstand. Man kann sich nicht helfen, aber immer fällt einem Soundtrack ein, nur der Film fehlt noch. Deshalb erfüllten sich die beiden Zwillinge Klive und Nigel Humberstone, verstärkt durch den Perkussionisten Q. und die lautmalerisch singende Dolores Merguerite C., ihren Jugendtraum und machten endlich ihre Filmmusik (für „An Ambush of Ghosts“). Ihre Einflüsse liegen denn auch eindeutig in der visuellen Kunstgattung, vielleicht Ennio Morricone. Allerdings ist die Grundstimmung von In The Nursery kein bißchen flötend und auch wesentlich weniger bedrohlich. Der Film, der da abläuft, ist zwar sehr traurig, aber nicht dramatisch. Keine Action, eher schöne Menschen, die vor erdbraunen Hintergründen bedeutungsschwanger in die Kamera schauen. Dann schütteln sie den Kopf, blicken ins Leere, stehen auf, und ein mystischer, kaum zu hörender, eigentlich nur zu ahnender Hintergrundchor setzt ein. So 'ne Filme fangen langsam an und hören kaum auf, und die Musik fließt immer weiter und weiter und weiter ...

Am 14.9. um 22 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Wer von dem Stilmischmasch, der sich heutzutage Hardcore nennt, immer noch Kopfschmerzen bekommt, liegt bei Citizen Fish genau richtig. Deren Zusammensetzung aus ehemaligen Hardcore-Legenden wie Subhumans oder Culture Shock garantiert nicht nur Qualität, sondern markiert auch gerade mal den Übergang vom Uffta-Punkrock zur Erweiterung des Genres. Zwar wechseln auch bei Citizen Fish die Geschwindigkeiten, zermürben Metal-Riffs völlig unerwartet flotte Offbeats und wird zur Unzeit losgedroschen, was das Zeug hält, aber im Verhältnis zu heute doch noch sehr human, fein säuberlich voneinander getrennt und auch für die eher Langsamen nachvollziehbar. Ungefähr der Unterschied zwischen Jesse Owens und Ben Johnson. Und wer's gemütlicher angehen läßt, hat auch mehr Zeit zum Nachdenken: „There's a lot of people / There's a lot of food / There's a lot of money / All being misused.“

Am 16.9. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg

Die gute Nachricht zum Schluß: Die Bad Brains haben den Abgang von HR zu guter Letzt doch noch verkraftet. Sie selbst hatten zwar schon längst auch ohne ihren etatmäßigen Sänger klargemacht, daß nicht er, sondern Gitarrist Dr. Know die bestimmende Komponente des Bad-Brains-Sounds gewesen war. Und HR bestätigte durch seine Solo-Ergüsse denselben Eindruck. Nun haben sie endlich Ersatz gefunden, auch wenn Israel Joseph I deutlich mannschaftsdienlicher singt. Aber vor allem ist an den Bad Brains die Zeit sensationell spurlos vorbeigegangen. Vor allem wenn man sie mit all den anderen vergleicht, die mit ihnen angefangen haben und die es heute noch gibt. Die haben noch mit The Clash zusammengespielt oder auch mit Gang of Four, Ric Ocasek produzierte ihre erste Platte, bevor der Teeniemarkt ihn killte – überlebt haben die Bad Brains sie alle. Trotzdem erscheint beim Namen Bad Brains immer noch nicht der mahnende Zeigefinger und das oft genug abfällig gemeinte „Legende“. Ohne sich groß zu bemühen, klangen sie immer wieder neu. Wer nicht hochsteigt, kann auch nicht so tief fallen. 16 Jahre haben sie gebraucht, um bei einem Major zu landen, jetzt, wo das sowohl musikalisch als auch ideologisch auch schon egal ist. Ihr Timing war immer zu schlecht, um größer als Jah zu werden, aber immerhin gut genug, um glücklich anerkannt auf seiner weiten Erde zu wandern. Ihr rundum gelungener Versuch, den Punkrock mit Reggae und Rastafari-Ideologie anzufüttern, wirkt heutzutage im sich crossovernd überschlagenden Umfeld gerade zu rührend. Aber auch erholsam und wichtiger als je zuvor. Die Passenden geben im Vorprogramm ihre Anerkennung: The Goats aus Philadelphia verbanden mit HipHop und Punk schweinchenschlaumäßig die beiden wichtigsten Musiken der vergangenen beiden Jahrzehnte. Das war nicht nur „Typical American“, sondern füllt auch die Tanzböden. Der allzu ewigen Geschichte von „Want“- „Get“- und „Got“-Zitaten im Rock 'n' Roll fügten sie traditionsbewußt ein neues hinzu: „Whatcha got is whatcha gettin'“. Die Berliner Blue Manner Haze, ganz trendy mit harten Metalriffs und versiertem Gerappe, dürfen die Vorbilder aus der ersten Reihe bestaunen.

Am 16.9 um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen