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Durchs DröhnlandSoli statt groovy

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Nicht immer war das Verhältnis ungetrübt, aber ab und zu, auf den Rängen des FC St. Pauli, wenn die Bremer Mimmis den SV Werder zum Meister grölen wollten oder als die Toten Hosen sich bei der Düsseldorfer Fortuna engagierten, gingen Punkrock und Fußball halbwegs glückliche Ehen miteinander ein. So ist es zwar eher Zufall, daß die allmonatliche Gig- Party des Fanzines Der Wahrschauer mit der WM zusammenfällt, aber vielleicht kann man es ja auch Fügung nennen. Wer will, kann den Abend bereits um 16.30 Uhr mit Italien – Frankreich auf der Großbildleinwand beginnen, bevor um 22.30 Uhr die ursächlichen Attraktionen folgen: die Submissive Schoolgirls und Dritte Wahl aus Rostock. Das Trio aus dem Norden mag zwar qualifiziert sein durch die Erfolge von Hansa Rostock, glänzte in seinen Anfangstagen allerdings vor allem mit Hau-drauf-und- Schluß-Punk mit politischen Texten. Noch heute kehrt man gerne wieder dahin zurück, aber im Vergleich zu früher wurde das Repertoire ungemein erweitert. Heuzutage leistet man sich mitten in den Gitarrenbreitseiten auch mal eine hittaugliche Melodie oder versucht es mit gemächlichen Metal-Riffs. Und textlich weiß man zwar immer noch jederzeit klarzustellen, daß der Kapitalismus an allem schuld ist, aber hat erkannt, daß den Menschen doch auch manchmal anderes interessiert: Privates und so, Menschliches halt. Dabei offenbaren sie tatsächlich ein Talent, zugegebenermaßen recht einfache Weisheiten angemessen schlicht zu verpacken. „Und ich dachte, irgendwann fängt mein Leben richtig an / Doch es ging nur einfach weiter“ – so hat sich doch bestimmt jeder schon mal gefühlt. Und Mitsingen man kann auch noch.

3.7., 22.30 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176

Ein Haufen Bläser, nur unterstützt von einem Schlagzeug, das sind Brass Attack. Letztes Jahr engagierte das Berliner Ensemble das Sextett mit der ungewöhnlichen Besetzung für den ersten Brecht-Sommer. Dort kam der Kontakt zu Maza, nach höchstpersönlicher Stellenbeschreibung Bänkelsänger, und den diversen Klassikern von Dessau, Eisler und natürlich Weill zustande. Mit weiteren Vokalisten eingespielt, sind diese jetzt auf CD gepreßt, was es im Rahmen des zweiten Brecht-Sommers zu feiern gilt. Die Interpretationen von Brass Attack umschiffen relativ souverän die Gefahren, die aus der besonderen Instrumentierung entstehen, nämlich zu sehr nach Volksfest-Blaskapelle zu klingen. Aber genau dieses Bemühen führt in eine recht kopflastige Umsetzung der Songs – gespickt mit Soli, statt zu grooven. Als die Komponisten diese Lieder geschrieben haben, waren sie von ihnen und Brecht ausdrücklich als Pop gemeint und haben – bis zu ihrer Heiligsprechung – auch so funktioniert.

4.7., 22 Uhr, BE, Hofbühne, Bertolt-Brecht-Platz 101

Zum allgemeinen Danksagen ist am Sonntag in der Wuhlheide anzutreten. Danke, daß Resteuropa gelernt hat, daß auch wir Deutschen Humor haben (wenn sie es denn bemerkt haben sollten)! Danke für Nußecken! Danke für den Mut zu Glatze und Wabbelwampe im Zeitalter des Waschbrettbauches! Danke, Guildo, danke!

5.7., 19 Uhr, Parkbühne Wuhlheide, An der Wuhlheide

Die Grundlagen sind einfach für die Musik von Trans Am, die Ergebnisse dafür um so komplizierter. Einen Computer, so sagen sie, können sie sich nicht leisten, und außerdem seien die frühen, noch von Maschinen in einem ursprünglicheren Sinne hergestellten Rhythmen ja eigentlich die interessanteren. Ähnlich verfahren sie mit der anderen Hälfte ihrer Musik, denn die Band aus Washington, D.C., ist auch noch eine ganz herkömmlich rockende Dreierkiste aus Gitarre, Baß und Schlagzeug, und ihre Instrumentals sind meist recht schlicht gehalten. Nun schon auf drei Platten beleben sie die Spannung zwischen instrumentaler und elektronischer Musik, die eigentlich schon überwunden schien, noch einmal neu. Auch wenn sie behaupten, „gar keinen Kontrast zu wollen“ zwischen den elektronischen und den eher rockenden Stücken, beziehen die manchmal entnervend langatmigen Stücke von Trans Am doch gerade daraus ihren Reiz. Gerade weil sie sich nicht um eine Synthese bemühen, sondern die Aversion zwischen den Klischees „digitale Kälte“ und „analoge Wärme“ neu erfinden. Dazwischen lassen sie auch noch ein großes Loch, das sie nicht mit Erklärung oder Versöhnung füllen. Übrigens: Auch hier ist der Fußball im Spiel. Auch wenn die amerikanischen Freunde das vielleicht nicht verstehen, aber vor dem Konzert läuft in der Kalkscheune um 21 Uhr erst einmal das noch zu ermittelnde WM-Halbfinale auf einer Großbildleinwand.

Mit Surrogat (Berlin), 8.7., 21 Uhr, Kalkscheune, Johannisstraße 13

Ich würde ja nie behaupten, daß Vegetarismus oder gar Veganismus aggressiv macht. Aber komisch ist es schon, daß es bisher noch keine, sagen wir mal TripHop- oder Easy-Listening-Kapellen gibt, die straight edge sind. Die Jungs, und Jungs sind es eigentlich immer, benutzen immer noch vorzugsweise Hardcore und kotzen die Worte nur so raus.

Auch bei Snapcase rollen die Gitarren und verdient sich Sänger Daryl Taberski einen Sonderpreis für Stimmbandaufopferung. Selbst die Texte des Quintetts aus Buffalo haben kaum ein anderes Thema. Nur leider ist eine gewisse Arroganz, was fremde Lebenstile angeht, unüberhörbar. Es mag ja noch angehen, anderen vorzuhalten, sie würden sich von der eigenen Gier kontrollieren lassen. Aber so zu tun, als ob man durch ein bißchen Gewichtestemmen und Gemüse ein besserer Mensch wird?

Mit Disrespect, Shortage und Surface, 9.7., 19 Uhr, SO36, Oranienstraße 190 Thomas Winkler

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