■ Standbild: Durchgeknallt
„Dichtung und Wahnsinn. Die Joseph-von-Westphalen-Show“, Mo., 23.35 Uhr, SWF 3
Was war das nun: Kabarett? Ein Sprechanfall? Exhibitionismus? Kann auch sein, daß Joseph von Westphalen einfach mal wieder Geld verdienen mußte. Jedenfalls hat der Mann sich dazu hinreißen lassen, runde 45 Minuten über sich selbst zu reden, begleitet von einem Stehgeiger, unterbrochen von mäßig witzigen Filmeinspielungen, beäugt von einem trübe am Bierglas hängenden Mitternachts-Kneipenpublikum.
Daß „Dichtung und Wahnsinn“ irgendwie zusammenhängen, wurde durch Westphalens Dauersermon erneut eindrucksvoll bewiesen: alle Dichtungen durchgeknallt. Er schreibe gerade drei neue Bücher auf einmal; er bekomme alle halbe Jahre den FAZ-Fragebogen zugeschickt und liebe an Frauen „Widerspenstigkeit und Inkonsequenz“. Er begreife nicht, warum Menschen in Flugzeugen Tomatensaft trinken. Er haben auf mehreren Spiegel-Seiten den deutschen Adel beschimpfen und sodann auch über seine Bücher reden dürfen – leider sei das Interview nie erschienen, weil Lady Di zu Tode fuhr. Und so weiter.
Westphalens sich überschlagender Schnellsprech ist privat vielleicht ganz kurios – mit dem Fernsehen aber absolut inkompatibel. Nicht wegen inhaltlicher Banalität (die ist televisionäre Pflicht), sondern weil Westphalen völlig unfähig ist, in die Kamera zu blicken und einen Kontakt zum Publikum aufzubauen; er sabbelt einfach vor sich hin. Ganz verrückt sollte das sein; das ist es, aber auch ein bißchen traurig.
Angeblich sind Fortsetzungen geplant. Erbarmen! Westphalen hat ja durchaus Dinge geschrieben, die sich vergnüglich herunterlesen lassen – er sollte an den Schreibtisch zurückkehren. Christian Gampert
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