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Durchbruch in BolivienMorales und Opposition verhandeln

Boliviens Präsident Morales hat sich mit den Gouverneuren der Tieflandprovinzen auf Friedensverhandlungen verständigt. Bleibt zu hoffen, dass sie dabei einig werden.

Startet nun einen Dialog mit seinen Widersachern: Boliviens Präsident Evo Morales. Bild: dpa

PORTO ALEGRE taz Aufatmen in Bolivien: Am späten Dienstagabend hat die rechte Opposition klein beigegeben und eingewilligt, umfassende Verhandlungen mit der Zentralregierung in La Paz zu führen.

Stunden zuvor schien es noch, als stehe den Tieflandprovinzen des so genannten Halbmondes eine neue Welle der Gewalt bevor. Nachdem Soldaten Leopoldo Fernández, den Gouverneur der nördlichen Amazonas-Provinz Pando, festgenommen hatten, drohten wichtige Vertreter der „Autonomisten“ mit dem Abbruch der Gespräche.

Präsident Evo Morales beschuldigt Fernández, letzte Woche das Massaker an Kleinbauern eingefädelt zu haben, dessen Hergang nun von internationalen Experten geklärt werden soll.

Der Unternehmer Branko Marinkovic, mächtiger Vorsitzender des „Bürgerkomitees“ in der östlichen Agrarmetropole Santa Cruz, forderte die Freilassung von Fernández. Sein Kollege Carlos Dabdoub sprach von „Verfolgung“ und rief bereits das Ende der Gespräche aus.

Und Mario Cossío, der Gouverneur der Erdgasprovinz Tarija, der seit Freitag zwischen La Paz und Santa Cruz hin- und herpendelt und im Namen seiner Kollegen mit Vizepräsident Álvaro García Linera das Basisdokument erarbeitet hatte, verkündete: „Die Dialog ist nicht tot, aber in Agonie“.

Doch am späten Abend unterzeichnete er in Santa Cruz zusammen mit seinem Kollegen Rubén Costas die Roadmap zum Frieden. Dann kündigten sie an, die letzten Straßensperren sowie Besetzungen von Regierungsbüros, Erdgasanlagen und Straßensperren zu beenden.

Trost erhielten die beiden Schergewichte der Opposition von Kardinal Julio Terrazas: „Das ist keine Niederlage, es ist ein Erfolg des ganzen Volkes, das den Frieden gesucht hat“, sagte der Kirchenmann.

Bleibt es beim vereinbarten Zeitplan, dann wird ab Donnerstag in der Provinzhauptstadt Cochabamba verhandelt. In drei Arbeitsgruppen soll es um die ganz großen Themen gehen, die die weiße Oberschicht aus den Tieflandprovinzen als Rechtfertigung für ihre teils gewalttätigen Proteste der letzten drei Wochen ins Feld geführt hatte: die Verteilung der Erdgassteuer, die Autonomie und die neue Verfassung sowie den Modus zur Bestimmung regionaler Behörden. Zu den Gesprächen sind Kirchenvertreter und internationale Beobachter geladen.

Nach Regierungszahlen haben sich dank Morales’ Nationalisierungspolitik auch die Einkünfte der Provinzen aus der Erdgasförderung seit 2005 verdoppelt bis verdreifacht – obwohl seit Februar ein Teil davon als "Rente der Würde" an Hunderttausende arme Bolivianer über 60 abgezweigt wird.

Wirklicher Knackpunkt des Konflikts ist hingegen die vom Präsidenten versprochene Landreform, die die Rechte bislang erfolgreich verhindert hat.

Nach der Eskalation der vergangenen Woche und der einhelligen Unterstützung von Evo Morales durch seine südamerikanischen KollegInnen haben die Oppositionspolitiker offenbar erkannt, dass sie zumindest kurzfristig durch Verhandlungen mehr gewinnen können als durch weitere Gewaltakte. Fragt sich nur, wie lange.

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1 Kommentar

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  • MD
    Martin David

    Es ist erstaunlich, wie leichtfertig in Artikeln über Bolivien mit Stereotypen bei der taz umgegangen wird!

     

    Da ist immer wieder die Rede der "weißen Oberschicht" im Tiefland. Dass im Tiefland mehr indiogene Stämme als im Hochland Boliviens leben, wird anscheinend großzügig übersehen.

    Dann wäre interessant zu wissen, von welcher ökonomischen Oberschicht denn da bitte die Rede ist. Die wirklichen Spietzenverdiener wohnen nach wie vor in San Miguel, in La Paz! Dort sind die ökonomisch am einflussreichsten Bürger Boliviens wohnhaft, was nicht zuletzt an der finanziellen Infrastruktur von La Paz liegt.

     

    Den Vogel schießt allerdings die absolut undifferenzierte Wortwahl "Massaker an Kleinbauern" ab. Nach Augenzeugenberichten aus Porvenir waren es Mas-nahe Campesinos (und das sind in der Region um Cobija keine Kleinbauern, sondern zum Großteil landreiche Rinderzüchter!), welche sich bereits bewaffnet trafen, um eine Blockade zu errichten. Oppositionelle Gruppierungen griffen hier - auch bewaffnet - ein. Ein Massaker, meine Herren, sieht anders aus.

     

    Ich empfehle ihnen - um den qualitativen Standard ihrer Informationan zu sichern - entweder von Leuten vor Ort berichten zu lassen, oder jemanden zu engagieren, der ein passables Spanisch spricht, um die bolivianische Presse entsprechend zu verfolgen.

    Diese Art von Berichterstattung ist aber nicht nur polarisierend und oberflächlich, sie ist auch teilweise falsch.