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DurchatmenFrontalangriff auf den Feinstaub

Der "Luftreinhalteplan 2011-2017" soll den Himmel über Berlin noch sauberer machen - mit Tempo 30 und Elektromobilen. Umweltaktivisten geht das nicht weit genug.

Bei dem Vögelchen, das durch die hier eher graue Berliner Luft fliegt, handelt es sich nicht um eine Nachtigall. Bild: DAPD

Die Berliner Luft ist legendär. Sauberer muss sie dennoch werden. Um das zu erreichen, hat die Senatsumweltverwaltung einen Entwurf für den Luftreinhalteplan 2011–2017 erarbeitet. Er sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, deren Fokus auf dem Straßenverkehr liegt. Noch bis 15. Juni können BürgerInnen dazu Stellung nehmen.

Immerhin: In den vergangenen Jahren ist die Luftqualität in der Stadt bereits gestiegen. Dazu beigetragen hat auch die Einführung der Umweltzone im Jahr 2008. Vor allem Feinstaub und Stickstoffdioxid belasten aber weiterhin sehr stark die Gesundheit der Bevölkerung. Den von der EU für 2010 vorgegeben Stickstoffgrenzwert hält Berlin bisher nicht ein – stattdessen wurde eine neue Frist bis 2015 ausgehandelt. „Der Ausstoß an Stickoxiden hat sich in den letzten Jahren nicht in dem Maße reduziert, wie es infolge der Modernisierung der Fahrzeugflotte zu erwarten war“, heißt es im aktuellen Entwurf.

Größter Verschmutzer ist und bleibt der Straßenverkehr. Insbesondere hier setzen die Pläne der Umweltverwaltung an: Demnach sollen künftig nicht nur mehr Fahrzeuge mit sauberem Antrieb durch Berlin rollen, auch ist geplant, die Ausnahmen bei der Umweltzone abzubauen. Eine Ausweitung der Tempo-30-Zonen ist geplant. Zudem will die Senatsverwaltung die Elektromobilität stärken, den Fußgänger- und Radverkehr fördern. Eine Reduzierung der Dieselrußpartikel soll die Feinstaubbelastung senken. Dabei treffen die Maßnahmen nicht nur den konventionellen Straßenverkehr. Der Entwurf sieht auch Partikelfilter für Baumaschinen und Fahrgastschiffe vor.

Martin Schlegel kann dem Entwurf Positives abgewinnen. „Die vorgesehenen Maßnahmen sind sehr gut“, sagt der Verkehrsreferent beim Bund für Umwelt und Naturschutz Berlin (BUND). Auch sei die Politik der letzen fünf Jahre erfolgreich gewesen: Mit der Einführung der Umweltzone habe man einen „großen Brocken“ erreicht, auch die Ausrüstung der BVG-Busse mit Rußfiltern habe positive Wirkung gezeigt. Er gehe deshalb davon aus, dass der Luftreinhalteplan 2011–2017 die Luftqualität weiter verbessern werde. „Allerdings listet der Entwurf nicht auf, wo genau die Maßnahmen umgesetzt werden sollen.“

Dem BUND geht zudem die Ausweitung der Tempo-30-Zonen nicht weit genug. Laut Senatsverwaltung soll sie auf 16 weitere Straßen ausgedehnt werden, der Umweltverband fordert 81. Eine grundsätzliche Tempo-30-Regelung für die ganze Stadt hält Schlegel nicht für sinnvoll: Schließlich würde diese auch Busse und Straßenbahnen ausbremsen. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) teilt diese Position.

„Die Ideen sind gut, es mangelt bisher an der Umsetzung“, findet Felicitas Kubala, umweltpolitische Sprecherin der Grünen. Bis auf die Einführung der Umweltzone sei bislang nichts Wesentliches geschehen. Und die Ideen im aktuellen Entwurf seien nicht wirklich neu. Ähnlich äußerte sich Marion Platta (Linke). Die einzelnen Maßnahmen gingen in die richtige Richtung. „Mir fehlen allerdings im Entwurf Angaben zu den Kosten für die Umsetzung.“ Mit Blick auf die derzeitige Lage bei der S-Bahn ist für Platta „nicht ganz nachvollziehbar“, wie der Nahverkehr gestärkt werden solle.

Bis 27. Mai liegt der Entwurf in der Senatsumweltverwaltung (Brückenstraße 6) öffentlich aus. Zudem kann der Text online auf der Seite der Behörde eingesehen werden. Bis zum 15. Juni können BürgerInnen Stellung dazu nehmen.

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7 Kommentare

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  • Q
    quantumfoam

    Es gibt bekanntermaßen Lösungen, um eine deutliche Reduzierung der Luftschadstoffe zu erreichen. Da braucht man einen längeren Atem und muss vor allem immun sein gegen die Auto-Lobby. Höhere e-car Quote, flächige Messungen und Fence-Monitoring, um Verursacher zu ermitteln nicht nur dumm messen, dynamische Fahrverbote u.B. aller relevanten z.B. meteorologischen Parameter, dito dyn. City-Maut = Bezahlung je nach prognostizierter Luftsituation. Bonusprogramme für ÖV-Nutzer und Fahrradfahrer z.B. durch Öko-Pendlerprogramme.

  • TL
    Tim Leuther

    @Karl

    Die FFM-Argumentation kann ich nachvollziehen.

     

    Bei dem Feinstaub werden viele Sachen falsch gewichtet. Zum Beispiel der Reifenabrieb. Der macht etwa die Hälfte der Feinstaubemissionen aus.

     

    Das ganze Feinstaubthema kam mir persönlch auch zu syncron mit den Dieselfiltern. Da wollte man doch vor allem neue Autos verkaufen. Da haben mal Greenpeace und BMW an einem Strang gezogen

  • K
    Karl

    Es sei auch noch an die Resultate aus der Schweiz erinnert, als in Folge eines Felssturzes ein größerer AB-Abschnitt längerfristig gesperrt war.

     

    Dank des dichten schweizerischen Luftmessnetzes kam es zu recht (überraschenden?) Befunden!

     

    NOx waren praktisch unverändert und die Partikelbelastung schwankte wohl um ca. 20 % gegenüber den Werten vor der Blockade.

     

    Oder FFM. Während der vulkanemissionsbedingten Flugverbote gingen die NO Werte auch kaum zurück, was von Fraport ganz schlau als "Flugverkehr hat doch keinen negativen Einfluss" verkauft wurde!

     

    Na ja, pisageschädigten Naturwissenschaftsverweigerern kann man das natürlich erzählen, ohne auf Widerspruch zu stoßen...

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • X
    xonra

    Mach dir einen Plan (Luftreinhalteplan), sei ein großes Licht. Mach dir einen zweiten, gehn tun sie beide nicht. Die Messstellen für die Luftqualität sind drastisch verringert worden. Dann wird die Luft natürlich besser. Der politische Wille der Rot Schwarzen Koalition darf getrost als Beschränkt bezeichnet werden. Schmutzige Schiffsdiesel mit Filtern auszustatten, ist typisch für diese Beschränktheit. End of Pipe Denken und Handeln, mit Steuergeldern Technik von gestern aufhübschen. Zuurücktreten... damit endlich eine sozial ökologisch ausgerichtete Stadtpolitik begonnen werden kann.

  • K
    Karl

    Lediglich politischer Aktionsimus!

     

    Hielte man sich bei der Bewertung an die wissenschaftlichen Vorgaben der EU-Richtlinie müsste dieser aktionsitische Unfug aus verwaltungsrechtlicher Sicht sofort eingestellt werden (Zweckmäßigkeit und Angemessenheit sind praktisch nicht gegeben).

     

    Dem Naturwissenschaftler graut vor so viel Ökomystizismus

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Man sollte dem deutschen Spießer das Autofahren komplett untersagen.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde gegenüber den Autofahrern nichts als Verachtung.

  • AF
    Achim Fahnenschild

    Das war doch klar: Die Umweltzone hat so gut wie nichts gebracht. Die Feinstaubwerte und die Stickstoffdioxidbelastung sind trotz strenger Fahrverbote nicht gesunken, was man auch beim Umweltbundesamt nachlesen kann. Um den Mißerfolg zu verschleiern, betonte man die Reduzierung von Dieselruß, für den es jedoch keinen Grenzwert gibt, und wenn es einen gäbe, wäre dieser wahrscheinlich nicht überschritten gewesen. Und für diese unwirksame Maßnahme wurden zigtausende KFZ-Halter und besonders Gewerbetreibende quasi enteignet. Das sind die Auswüchse grüner Symbolpolitik, die es wichtiger findet, bei jeder Gelegenheit den verhassten Autoverkehr zu schikanieren, anstatt wirkliche Problemlöungen zu finden. Der eigentliche Skandal ist: es wurden wirklich wirksame Maßnahmen unterlassen! vergl. auch www.anti-plakette.com