piwik no script img

■ Durch den Fleischwolf gedreht: Über unverschämte Weinpreise und die feinen Flaschen, die sie verursachenIn manchen Weinstuben herrscht Goldgräberstimmung

„Das beste an einer Weinprobe ist das Bier danach“, wirbt die Brauereiwirtschaft pfiffig und frech und beschreibt damit einen durchaus realen Zustand. Wer in Deutschland nicht gerade im Südwesten oder in einem Weinbaugebiet lebt, muß schon echter Weinfreak sein, um mit Vorsatz in eine Gaststätte, Kneipe oder in ein Restaurant zu gehen, um Wein zu trinken.

Stellt der Mensch auch noch Anforderungen an Qualität, erdreistet er sich, vom Wirt wissen zu wollen, wer etwa diesen Chianti produziert hat, aus welchem Chianti-Anbaugebiet und Jahrgang der Tropfen stammt, dann kann er was erleben!

Beim Bezahlen sowieso: Für ein Glas Chianti Classico, um bei diesem Beispiel zu bleiben, vom hervorragenden Weingut „Isole e Olena“ wird man in der Weinkneipe oder gar im Restaurant schon mal zwischen 16 und 24 Mark pro Gläschen los – 0,2 Liter versteht sich. Offene Weine, die in solch einem Lokal für fünf bis acht Mark pro Glas über die Theke gehen, verleiten allemal zum Biertrinken.

Ja ja, ich höre sie schon unken: Wein ist in Deutschland kein Alltagsgetränk; die Kellerkosten sind hoch, das Personal teuer und was es sonst noch für Argumente gibt, um unverschämte Kalkulationen von 300 bis 800 Prozent schönzureden. Ein lukratives Geschäft ist der Wein noch in der allerletzten Pinte.

Wer sich beschwert, wird beschimpft wegen seiner „deutschen Mentalität“, die nach „Schnäppchen“ giert und beim „Ausgehen“ immer nur vom Feinsten und Teuersten verlangt. Eine andere beliebte Argumentation lautet, gute Küche könne nur über hohe Weinpreise kalkuliert werden. Es bleibt ein übler Nachgeschmack.

Der Nepp ist aber auch unternehmerischer Unfug. Wirklich guter Wein überzeugt durch unnachahmlichen Charakter. Einmal genossen, will kaum jemand zur alten Plörre zurück – außer man fühlt sich ausgenommen. Wenn also guter Wein unters Volk gebracht werden soll, muß sich die Kalkulation über die verkaufte Menge rechnen. Wenn's bezahlbar ist, trinkt man gerne ein Gläschen mehr.

Statt dessen versuchen Wirte und Restaurantbetreiber schon mit einer einzigen Kiste verkauften Weines ihre ganze Bestellung zu finanzieren. Das „unternehmerische Risiko“ wird auf den trinkfreudigen Gast abgewälzt, der nach ein paar Gläschen nicht mehr so genau auf die Rechnung schaut.

Zum Glück geht's auch anders: Nicht nur in Berlin und Köln gewinnt in der Gastronomie zunehmend jene wunderbare Sitte Anhänger, für den flaschenweisen Genuß von (auch exzellentem) Wein einheitliches „Korkgeld“ von meist zwanzig Mark zu nehmen. Bleiben wir beim Chianti von „Isole e Olena“: Die Flasche kostet im Fachhandel 18 Mark. Mit zwanzig Mark Korkgeld bezahlt der Genießer im Restaurant 38 Mark, umgerechnet elf Mark für 0,2 Liter.

Also: Beim nächsten Kneipenbesuch mit dem Wirt reden, erst dann Bier bestellen! Andrea Arcais

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen