Dumpingwettlauf für Milchprodukte: USA fluten Märkte mit Billigmilch
Nach der Europäischen Union bezuschusst nun auch die US-Regierung Milchexporte. Das könnte besonders die Bauern in Entwicklungsländern ruinieren.
Die Europäische Union hat mit ihren Exportsubventionen für Milchprodukte einen Dumpingwettlauf ausgelöst, der Bauern in Entwicklungsländern schaden könnte. Auch die US-Regierung kündigte nun an, nach jahrelanger Pause wieder Ausfuhren etwa von Butter zu bezuschussen. Damit können Farmer aus den Vereinigten Staaten ihre Ware zu Preisen unter den Produktionskosten in andere Länder verkaufen. Russland hatte bereits die Zölle auf Einfuhren von Milchprodukten erhöht, was den Druck auf die offeneren Märkte von Entwicklungsländern steigert.
Viele Milchbauern etwa in Afrika befürchten, dass vor allem arme Bevölkerungsschichten jetzt statt der einheimischen Produkte das günstigere Milchpulver aus Europa und den USA kaufen. Das würde Kleinbauern im Süden um Einnahmen bringen, die sie für ihre Ernährung benötigen. Die EU und die USA wollen mit den Zuschüssen für Exporte von Milchprodukten ihren eigenen Landwirten helfen, die unter einem starken Preisverfall leiden.
Die Regierung in Washington schob die Schuld auf Brüssel: Die US-Milchindustrie habe an Weltmarktanteilen verloren "teils wegen der Wiedereinführung direkter Exportsubventionen durch die Europäische Union", erklärte Agrarminister Tom Vilsack vergangene Woche. Der Schritt der EU Anfang des Jahres habe die USA zu einer Antwort gezwungen, ergänzte eine Behördensprecherin laut Medienberichten. Zunächst würden rund 92.000 Tonnen Milchprodukte bezuschusst.
"Das ist wie im Fall der EU genug, um die internationalen Milchpreise weiter zu drücken", sagte Agrarexpertin Marita Wiggerthale von der Entwicklungsorganisation Oxfam am Donnerstag der taz. Der Druck auf Entwicklungsländer mit Milchproduzenten sei problematisch.
Armin Paasch, Handelsexperte des Menschenrechtsverbands Fian, hält den Beschluss der USA für die "logische Konsequenz aus der Einführung der Milchexportsubventionen durch die EU". Die Europäer hätten die neue Subventionsrunde eröffnet.
Für Paasch ist es ein Skandal, dass die deutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner die Exportsubventionen sogar noch ausweiten wolle. Die CSU-Politikerin argumentiert, dass die verbilligten Ausfuhren vor allem in aufnahmefähige Länder wie Russland, USA oder China gehen sollten. Doch Paasch sagt: "Die EU hat Subventionen für Exporte auch in besonders arme Entwicklungsländer bewilligt."
Anders als von Aigner behauptet seien darunter auch Staaten, in denen sehr viele Menschen wirtschaftlich von der Milchproduktion abhängen. Zum Beispiel Bangladesch: Dort lebten mehr als 80.000 Bauern vom Milchvieh. "Also in etwa so viele wie in Deutschland", sagt der Handelsexperte. Hunderte Landwirte hätten kürzlich in Bangladesch Milch auf die Straßen gekippt, um gegen niedrige Preise zu protestieren.
Diese Länder könnten sich zwar - auch dies ein Argument der Bundesagrarministerin - theoretisch mit Zöllen gegen die Billigeinfuhren aus dem Norden wehren. Aber die Praxis sieht anders aus, wie Paasch erklärt: "Die Welthandelsorganisation macht Druck gegen solche Zölle."
Dabei halten in den betroffenen Ländern laut Fian vor allem Kleinbauern Milchkühe. "Und das ist die Gruppe, die besonders von Hunger betroffen ist", berichtet Paasch. Auch die Welthungerhilfe wies am Donnerstag in Berlin darauf hin, dass zwei Drittel der 963 Millionen Unterernährten in ländlichen Regionen lebten. Und es werde noch schlimmer, glaubt die Präsidentin der Organisation, Bärbel Dieckmann: "Die Zahl könnte wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise noch in diesem Jahr auf über eine Milliarde steigen", warnte sie.
Dieckmann forderte deshalb, marktverzerrende Subventionen abzuschaffen. Außerdem müsste die Entwicklungshilfe stärker Bauern nutzen. Auch Deutschland gebe bisher weniger als 2 Prozent der Mittel dafür aus, Landwirte zu beraten oder ihnen Zugang zu Krediten und Märkten zu verschaffen. Selbst in den regionalen Strategien der Bundesregierung für Afrika und Asien sei "Ernährung sichern" kein Schwerpunkt - "obwohl es sich um die vom Hunger am schwersten betroffenen Kontinente handelt".
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