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■ ÖkolumneDumpfer Hohlplopp Von Manfred Kriener

Die Autotester hätten am liebsten losgeheult. Nach 34 wunderbaren Jahren „haben sie ihm die Seele genommen“. Der Neue sei „durchgestylt und glattgebügelt“, „aufgedunsen“ und „schmuseweich gespült“, ein Automobil ohne Ecken und Kanten. Und er klinge „so aufregend wie ein Staubsauger“, nur im Leerlauf „röchelt der Vierventiler ganz passabel“. Aber das Schlimmste: Der herzerfrischende „metallische Tresorknall“ beim Türen-zu-werfen ist auf der Strecke geblieben, wurde durch „einen dumpfen Hohlplopp“ ersetzt. Japanern „würde man so was nie verzeihen“.

Es geht um den neuen Porsche. 300 PS, 6.800 Umdrehungen, elektronischer Einspritzer, null auf hundert in 5,2 Sekunden, Stadtverbrauch 20 Liter, aber mit Öko-Bonus bei der Kfz-Steuer, weil „entscheidend ist, was hinten rauskommt“ (der Kanzler). Wir befinden uns auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), wo der „Lenorporsche“ (Auto-Bild) vorgestellt wurde. Daß die Ikone der Rasermobile doch nicht die große Attraktion ist, läßt immerhin hoffen. Zur Hoffnung besteht sonst wenig Anlaß im weiten Rund bei der 57. IAA. Der Frankfurter PS-Porno präsentiert sich ungetrübter denn je als Chrom- und Lackorgie mit den unvermeidlichen Go-go-Girls auf der gewienerten Motorhaube. Die heile Autowelt der 60er Jahre scheint auf. Endlich, endlich ist man die Umweltheinis los, der grüne Zirkus hat ein Ende. Noch vor fünf Jahren hatte sich der Automobilverband überlegt, die Show abzublasen, weil man sich nicht jedes Jahr aufs neue als Umweltsau durchs Dorf treiben lassen wollte. Vorbei! Das Umweltthema ist „leiser geworden“ (FAZ), die Zunft darf wieder Muskeln zeigen.

Was zählt, sind neue Boxermotoren und eine elastische Spurkorrektur, Produktions- und Absatzzahlen. Die Bilanzen sind glänzend: VW hat die Montagezeit für den neuen Golf von 32 auf 20 Stunden verringert – eine kleine Revolution. Dazu hat der kräftig gestiegene Dollar den Export auf neue Rekordwerte katapultiert. Zudem hat man nicht nur die grünen, sondern auch die gelben Monster kleingekriegt. Die Konkurrenz aus Japan fährt derzeit hinterher, die Europäer sind innovativer, schneller, besser. Und die Deutschen sind in Europa die Nummer eins. Wer redet da noch vom Dreiliterauto, von 9.000 Autototen im Jahr, vom Ozonsmog und entnadelten Tannen?

Lichtblicke sind zwischen den tiefergelegten Glücksgefühlen der deutschen Autobauer nur schwer zu finden. Aber es gibt sie. Da ist der Rummel um die neuen Kleinen, vor allem um das „Citymobil Smart“, die Koproduktion von Mercedes und Hayek. Der Charme der Kleinen sollte nicht gleich mit „small is beautiful“ überstrapaziert werden. Aber er könnte immerhin eine Richtungsänderung signalisieren gegenüber den ungetümen Vans und panzerartigen Jeeps. Der Sieg der Kleinen über die Großen. Denn spätestens beim Todeskampf um die Parklücke hat der Supermini alle Vorteile. Der Verbrauch dieses motorisierten Einkaufswagens liegt bei vier Litern. Auffällig ist das kleine Hubvolumen des Smart-Motors, mit dem man dem gleichen Konzept folgt wie Greenpeace mit seinem Sparmobil „Smile“. Auch das Greenpeace- Auto steht auf der IAA und präsentiert seine neuen Verbrauchszahlen: von Hamburg nach Berlin (289 Autobahnkilometer) mit sechs Litern Sprit, Lichtjahre von allen anderen Spritfressern entfernt.

Weitere Einsparungen könnte der Benzindirekteinspritzer bringen, den Audi bei seinem Pilotprojekt „AL-2“ und Mitsubishi beim „Carisma“ verfolgt. Die Japaner versprechen bis zu 30 Prozent Verbrauchsreduzierung. Kombiniert man beide Techniken, dann könnten selbst die Werte des Greenpeace-Autos locker unterboten werden. Könnten.

Die Autoindustrie hat das Dreiliterauto erst mal in nächste Jahrtausend verschoben, Autofahren soll ja wieder Spaß machen. Leider wird es das nicht. Spätestens im Jahr 2005, so die Visionen der Telematik-Anbieter, werden wir auf der vollgestopften Autobahn ferngelenkt per Satellit und Sensor im künstlich gesteuerten Formationsverkehr per Stoßstangenabstand brav hintereinander herfahren. Ohne Lichthupe, Vollgas und quietschende Reifen, ohne jede eigene Einflußnahme. Hinter uns wird womöglich der neue Lenorporsche röcheln mit 3.387 Kubik und 300 PS. Und er darf niemanden überholen. Grausame neue Welt!

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