Druck auf Opposition in Israel: Kulturministerin mit rechter Mission
In Israel geraten oppositionelle Künstler, Organisationen wie Breaking the Silence und andere kritische Stimmen immer mehr in Bedrängnis.
Vier Jahre alt und schon viele Male öffentlich gezeigt – Miri Regev aber schrieb trotzdem einen Brief an den Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat. Die Ministerin bat darin, er möge sicherstellen, dass öffentliche Gelder nicht für Aktionen ausgegeben würden, die den Staat, seine Werte und Symbole unterminierten. Doch die Stadt ließ sich nicht zur Zensur überreden. „Die Menschen in Israel sind stark genug, Meinungsfreiheit zu erlauben“, hieß es aus dem Rathaus.
Miri Regev war in diesem Fall nicht erfolgreich. Doch alleine die Tatsache, dass die Kulturministerin immer wieder versucht, kritische Projekte von der Öffentlichkeit fernzuhalten, sagt viel über den derzeitigen politischen und gesellschaftlichen Trend in Israel. „Miri Regev versucht, sich als eine Art Opposition zu inszenieren, die einen starken Feind bekämpft, und rechtfertigt so Zensur“, sagt der Filmemacher Yotam Feldman.
Auch die Auftritte Schowrim Schtikas hat Regev im Visier, also der Organisation, die Berichte und Aussagen von Soldaten über Menschenrechtsverletzungen der Armee in den besetzten Gebieten sammelt und international als Breaking the Silence bekannt ist. In dieser Woche bat sie Haifas Bürgermeister Jona Jahaw, er möge eine Veranstaltung mit Schowrim Schtika in einer privaten Galerie unterbinden, wenn es stimmen sollte, dass diese mit öffentlichen Geldern unterstützt werde. Im März war ein Event mit Schowrim Schtika in der Bücherei von Kirjat Ono aufgrund der Intervention der Kulturministerin abgesagt worden.
Sie ist nicht allein
Miri Regev ist in ihrem Kampf nicht allein. Die stellvertretende Außenministerin Tzipi Hotovely setzte jüngst NGOs wie Schowrim Schtika und B’Tselem mit der Hamas gleich – beide seien Feinde Israels. Zu diesen zählen demnach all jene, die die Besatzung kritisch sehen, linke Künstler, Filmemacher oder Aktivisten. Sie werden als Verräter, Nestbeschmutzer und Israelhasser gebrandmarkt. Nicht zuletzt machte das auch Premier Netanjahu deutlich, als er Bundesaußenminister Sigmar Gabriel vor die Wahl stellte, entweder ihn zu treffen oder die NGOs.
Siggi: Am vergangenen Dienstag wollte Außenminister Sigmar Gabriel den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu besuchen. Gabriel plante zudem, die israelischen Menschenrechtsorganisationen B’Tselem und Breaking the Silence zu treffen.
Bibi: Netanjahu stellte Gabriel vor die Wahl: Entweder die oder ich. Gabriel hielt an dem Treffen mit den Organisationen fest.
Und Kai? Im Interview mit Kai Diekmann durfte Netanjahu in der Bild-Zeitung am Freitag nachlegen: Breaking the Silence untergrabe Israels Sicherheit. Der Eklat habe keinen Einfluss auf die deutsch-israelischen Beziehungen.
Amir Fuchs vom Israelischen Demokratieinstitut beobachtet den verschärften Umgang mit Kritikern schon seit einigen Jahren. „Es gab bislang zahlreiche Versuche, neue Gesetze auf den Weg zu bringen, die NGOs attackieren.“ Nicht jeder Entwurf wird auch als Gesetz verabschiedet. Zwei allerdings schafften es in den vergangenen Monaten: Im März beschloss die Knesset, dass Nichtregierungsorganisationen, die den Großteil ihrer Gelder von ausländischen Regierungen erhalten, keine Zivildienstleistenden mehr aufnehmen dürfen. Man werde das Leben dieser trojanischen Pferde nicht leicht machen, kommentierte das der Likud-Politiker Amir Ohana.
Ein Jahr zuvor beschloss das Parlament, dass Organisationen ihre Geldquellen offenlegen müssen, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mittel von ausländischen Regierungen stammt. Das sorge für mehr Transparenz, verkündete Justizministerin Ajelet Schaked von der Partei Jüdisches Heim. Dabei mussten auch schon zuvor Spenden aus dem Ausland offengelegt werden. „Es geht darum, die Gruppen zu verunglimpfen, zu delegitimieren und sie als ausländische Agenten zu brandmarken“, so Amir Fuchs. Ausgenommen sind von dem Gesetz Organisationen, die von privaten ausländischen Spendern finanziert werden – meistens rechte NGOs.
Unterstützung erhalten Politiker von rechten Organisationen wie Im Tirtzu. In einer Videokampagne beschuldigte sie Vertreter israelischer NGOs, von ausländischen Regierungen finanziert zu werden, um Terror zu unterstützen. „Sie sind Israelis. Sie leben hier unter uns. Aber sie wurden eingepflanzt“, heißt es in dem Video. „Während wir Terror bekämpfen, bekämpfen sie uns.“
Tatsächlich sind einige der NGOs stark im Ausland aktiv, was nicht nur Menschenrechtler, sondern auch Antisemiten und Israelhasser auf den Plan ruft. So bat der Geschäftsführer von B’Tselem, Hagai El-Ad, vergangenes Jahr vor dem UN-Sicherheitsrat um die Einmischung in den Konflikt, was unter vielen Israelis einen Sturm der Entrüstung auslöste. Auch Amir Fuchs glaubt, dass die NGOs es den Rechten leicht machen, sie zu kritisieren. „Andererseits wird es ihnen aber hierzulande schwer gemacht, in Schulen oder in der Cinematheque aufzutreten.“
Yotam Feldman, Filmemacher
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Die jahrelange Kampagne von rechts zeigt Wirkung, erklärt Fuchs: „Wir sehen es in unseren Umfragen. Bei unserem letzten Demokratie-Index stellten wir die Frage: Glauben Sie, dass NGOs wie B’Tselem und Acri der Demokratie Israels schaden? Und fast 70 Prozent antworteten mit Ja.“ Darunter seien auch Wähler von Zentrumsparteien und von linken Parteien.
Noch gilt Meinungsfreiheit
Yotam Feldman ist davon überzeugt, dass sich der Druck auch auf die Arbeit von Künstlern und Filmemachern auswirken wird. „Wenn man keine starke Persönlichkeit hat oder eben Geld für die Familie verdienen muss, bekommt man es mit der Angst zu tun. Insofern ist der Einfluss sehr stark.“
Noch ist Israel weit davon entfernt, die Aktivitäten von oppositionellen Organisationen oder Künstlern direkt einzuschränken oder zu verbieten, und die Meinungsfreiheit gilt noch immer. Doch kritischen Stimmen schlägt ein immer heftiger werdender Wind entgegen, der es ihnen schwer macht, Gehör zu finden.
Und das wiederum, so glaubt Amir Fuchs, ist kein gutes Omen für die Demokratie. „Der Umgang mit den NGOs bedeutet noch etwas anderes. Wenn aus rechten Kreisen versucht wird, diese Gruppen zu delegitimieren, dann sagt das auch etwas aus über den Umgang mit linken Politikern, die diese NGOs unterstützen. Es geht um eine linke Agenda und um die Frage, was mit den besetzten Gebieten passieren soll.“
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