Drohende Krise bei Antibiotika : Eine Wunderwaffe wird stumpf

Antibiotika haben Millionen Leben gerettet. Aber nun versagen so viele der Medikamente gegen Krankheitserreger wie noch nie. Was tun?

Zu viele, zu oft: Antibiotika. Bild: jg_79 / photocase.com

Lungenentzündung und kein Medikament da, das hilft - dieses Horrorszenario könnte Realität werden. Allein in Deutschland, schätzt das Bundesministerium für Gesundheit, sterben jedes Jahr etwa 15.000 Menschen an Infektionen mit multiresistenten Bakterien: Keime, die nur noch schwer tot zu kriegen sind.

Denn sie haben nicht nur gegen eine, sondern gleich gegen mehrere verschiedene Antibiotika Abwehrstrategien entwickelt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt: „Die Resistenz gegen vorhandene Antibiotika hat beispiellose Ausmaße erreicht.“

Einst galten Antibiotika als Wundermittel, die selbst tödliche Krankheiten, von Bakterien verursacht, besiegten. Die Erfolgsgeschichte des Medikaments begann im Jahr 1941, als Wissenschaftler zum ersten Mal den Antibiotika-Wirkstoff Penicillin einem Menschen gaben.

Schon 1928 hatte der schottische Bakteriologe Alexander Fleming den Stoff zufällig entdeckt. Fleming sah, dass ein Schimmelpilz, Penicillium notatum, einen bakterientötenden Stoff produzierte, und nannte ihn Penicillin. Im Jahr 1945 bekam Fleming für die Entdeckung den Medizin-Nobelpreis. Doch schon bei seiner Nobelpreis-Rede warnte der Wissenschaftler: Es könnte der Tag kommen, an dem Bakterien resistent gegen Penicillin werden.

Schon wenige Jahre nach der Einführung von Penicillin als Medikament waren einige Bakterien damit nicht mehr tot zu kriegen. Über die Jahre tauchten immer mehr resistente Bakterien auf, denen verschiedene Antibiotika nichts anhaben konnten. Heute werden in Deutschland vor allem der multiresistente Keim MRSA, aber auch multiresistente Erreger, die Tuberkulose oder Lungenentzündungen auslösen, mehr und mehr zum Problem. Und gerade ist in Jena bei 14 Frühgeborenen ein gegen Antibiotika resistenter Darmkeim nachgewiesen worden.

Der Grund: Antibiotika wird zu großflächig eingesetzt, nicht nur in der Tierzucht. Auch Ärzte gehen zu locker mit dem Mittel um. Bis zu fünfzig Prozent aller Antibiotika, schätzt die angesehene Paul-Ehrlich-Gesellschaft, verschreiben Mediziner völlig unnötig.

Nicht lohnend für die Pharmafirmen

Durch diese falsche Anwendung konnten Bakterien aufrüsten, immer mehr resistente Stämme entwickelten sich. Hinzu kommt, dass auch die Zulassungen neuer Antibiotika in den letzten Jahren stetig zurück gingen – das Geschäft mit Antibiotika ist für Pharmafirmen nicht lohnend genug.

In Freiburg schult die Ärztin und Apothekerin Katja de With Mediziner und Apotheker aus ganz Deutschland darin, Antibiotika richtig zu verschreiben. Die 44-Jährige leitet das Antibiotic Stewardship, eine Art Antibiotika-Crashkurs – das Einzige dieser Art in Deutschland. „Wir verordnen in Deutschland viel zu viel Antibiotika“, sagt de With.

Die Forscherin Julia Bandow sucht in Bochum nach neuen Antibiotika-Wirkstoffen. Sie fordert, dass die Zulassungsbedingungen für neue Antibiotika erleichtert werden. „Wir brauchen viele, verschiedene Antibiotika, die auf unterschiedliche Arten die Bakterien angreifen“, sagt die 36-Jährige. Ihr fehle die Dringlichkeit in der Diskussion um das Problem mit multiresistenten Keimen. „Im Grunde geht es hier um einen Krieg, Mensch gegen Bakterium“, sagt sie. „Und den müssen wir gewinnen, wenn wir überleben wollen.“

Die Ganze Geschichte von der Entdeckung der Antibiotika bis zu den beiden Frauen, die gegen das Versagen des Wundermittels kämpfen, so wie viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 9./10. Juni 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

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