Drohende Klage gegen Filesharing-Anbieter: Hohe Wellen in der Piratenbucht
Das Dateitausch-Verzeichnis "Pirate Bay" hat schon zahlreiche Angriffe der US-Medienriesen überstanden. Doch nun droht eine dicke Klage.
Mehr als 4000 Seiten umfassen die Unterlagen, mit denen die Stockholmer Staatsanwaltschaft den Prozess gegen die Betreiber der Filesharing-Suchmaschine "Pirate Bay" unterfüttern will. Peter Sunde, Fredrik Neij, Gottfrid Svartholm und zwei weitere den Behörden bekannte Administratoren des Dienstes, die in Schweden manchem als so etwas wie Volkshelden gelten, müssen sich darauf vorbereiten, dass es die Ankläger diesmal ernst meinen - nach zahlreichen gescheiterten Versuchen der US-Medienindustrie und der schwedischen Polizei, das Angebot vom Netz zu nehmen.
Die "Piratenbucht" bezeichnet sich selbst als "größten Bittorrent-Tracker der Welt". Über die Website ist es möglich, nach Dateien in dem Tauschnetz zu suchen und entsprechende Verweisdateien herunterzuladen, die so genannten Torrent-Files. Die nicht selten illegalen Kopien von Filmen, Musik und anderen Inhalten kommen dann allerdings nicht mehr von Pirate Bay selbst, sondern direkt von anderen Bittorrent-Nutzern. Die tatsächliche Urheberrechtsverletzung findet also, so könnte man argumentieren, beim Nutzer statt. Der würde allerdings ohne Pirate Bay auch nicht so leicht Kontakt zu anderen Raubkopierern finden, wobei die Schweden beileibe nicht der einzige "Tracker" im Netz sind.
Aufgrund der (zumindest in einem Land wie Schweden heiß diskutierten) rechtlichen Lage gelang es Pirate Bay immer wieder, sich Angriffen der Rechteinhaber zu erwehren, die bereits mit schweren Wirtschaftssanktionen gegen Schweden drohen ließen. Selbst einen Schließungsbefehl samt Razzia durch die Stockholmer Polizei im Mai 2006 konnte man nach drei Tagen umgehen und schaffte sich inzwischen eine Infrastruktur, die nur schwer verwundbar durch das Abschalten einzelner Server sein soll.
Die Behördenaktion fand in Schweden bei den Bürgern wenig Freunde. Das Thema lief groß in den Medien und die Polizei musste sich die Nachfrage gefallen lassen, ob sie hier nicht im Auftrag Hollywoods handele. Filesharing ist in dem Land zudem enorm beliebt - 87 Prozent aller kopierten Filme stammten laut einer Studie aus dem Jahre 2006 hier aus Dateitauschnetzen, während es in den USA nur 34 Prozent waren. Zudem gibt es einige Politiker, die sich für eine Freigabe der Technik einsetzen. Sieben Parlamentsmitglieder der in der Regierung sitzenden gemäßigten Sammlungspartei schrieben in der Zeitung "Expressen", die Entkriminalisierung des privaten Dateitauschs sei die einzige Lösung, wolle man das, was die Bürger im Internet machten, nicht noch stärker kontrollieren. Der Markt müsse gezwungen werden, sich anzupassen. Der Verband der Musikindustrie, IFPI, der gerade in Brüssel versucht, europaweite Filtersysteme gegen Dateitauschtechnologien auf die Agenda zu bringen, reagierte mit Empörung.
Doch all die Debatten und Diskussionen nützten nichts, denn der Stockholmer Staatsanwalt Hakan Roswall entschloss sich im Mai 2007, Anklage gegen die Pirate Bay-Betreiber zu erheben. Unverständlich ist das nicht: Schließlich ist auch die Argumentation der Rechteinhaber verständlich, die verhindern wollen, dass ihre wertvollen Inhalte massenhaft gestohlen werden. Schweden ist als EU-Mitglied zudem verpflichtet, entsprechende europäische Regelungen zum Copyright-Schutz umzusetzen.
Die Pirate Bay-Administratoren geben sich unterdessen weiter gelassen. Noch im November sagten sie gegenüber amerikanischen Medien, sie glaubten fest an einen Sieg vor Gericht. Roswall sei "sehr parteiisch", was man dem Richter gerne beweisen werde. Zudem sei man bereit, eine Verurteilung bis zum Europäischen Gerichtshof anzufechten, hieß es im Januar von den Betreibern. "Die Sache kann noch fünf Jahre dauern." Die 4000 Seiten belastendes Material amüsierte die selbst ernannten Piraten ebenfalls: Selbst der zweitgrößte Mordfall in Schweden habe nur 1500 Seiten an Papier produziert.
Problematisch könnte allerdings werden, dass Pirate Bay seinen Dienst über Werbung finanziert - so könnte man dem Angebot unterstellen, mit der Ermöglichung von Urheberrechtsverletzungen viel Geld zu verdienen. Einigen Medienberichten zufolge soll dabei mehr eingenommen werden, als zum Betrieb der Infrastruktur benötigt wird. Die Betreiber ließen solche Vorwürfe allerdings stets zurückweisen. Es sei enorm teuer, eine solche Website zur Verfügung zu stellen.
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