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Drogenszene in BerlinDer nächste Drogen-Hotspot

Der Nelly-Sachs-Park in Schöneberg wirkt wie eine Idylle. Für die Anwohner ist er eine tickende Zeitbombe, bedingt durch Drogenhandel und Konsum.

Der Nelly-Sachs Park von seiner schönen Seite. Die andere scheut Fotografen Foto: Jürgen Ritter/IMAGO

Aus Berlin

Plutonia Plarre

Wo früher eine zerschlissene Matratze lag, liegen jetzt drei. Drumherum Essensreste, Erbrochenes, in einer Ecke Kot. Notlager wie das in der Potsdamer Straße gibt es in Berlin viele, und sie werden immer mehr. Abgemagerte Menschen mit offenen Wunden, die vor aller Augen auf einer Alufolie erhitzte, undefinierbare Stoffe inhalieren, vegetieren dort sprichwörtlich vor sich hin.

Bislang waren die Hotspots zumeist auf Wrangelkiez, Kottbusser Tor, Leopoldplatz und Neukölln, entlang der U-Bahnlinie U 8 konzentriert. Jetzt gibt es sie auch in Schöneberg. Im Nelly-Sachs-Park am Bülowbogen und dem angrenzenden Wohngebiet spitzt sich die Lage seit gut einem halben Jahr immer mehr zu. Am Dienstag machte die Anwohnerschaft ihrem Ärger über die Zustände Luft.

Oliver Schworck (SPD), Jugend- und Gesundheitsstadtrat von Tempelhof-Schöneberg, hatte zu dem Erfahrungsaustausch eingeladen. Mitgebracht hatte er Vertreter von Polizei und Ordnungsamt, die Landesdrogenbeauftragte, Parkläufer und Drogennotdienst. „Wir werden versuchen, die Belastungen zu reduzieren“, versprach Schworck. Aber eine grundsätzliche Lösung des Problems sehe er nicht. Dazu gebe es in Berlin zu viele obdachlose, süchtige Menschen. Der Stadtrat, noch deutlicher werdend: „Ja, ich gebe es zu. Sie werden immer mehr.“

Zwischen Leben und Tod

Für Außenstehende wirkt der neben dem Gleisdreieckpark gelegene Nelly-Sachs-Park mit einem Teich und Kinderspielplatz fast idyllisch. Von einer tickenden Zeitbombe sprechen dagegen Anwohner. Das Thema polarisiert, die Stühle im Saal der evangelischen Luthergemeinde am Bülowbogen reichten am Dienstag kaum aus.

Drogenhandel und Konsum erfolge in aller Öffentlichkeit. Auch in der angrenzenden Blumenthalstraße lägen die Konsumenten in den Türen. „Sie schaffen es nicht mal mehr in den Park.“ Menschen, die aussähen, als seien sie „in einer Zone zwischen Leben und Tod“.

Ein Mieter und eine Mieterin aus der Blumenthalstraße 14 berichteten, in ihrem Wohnhaus werde aus einer Wohnung heraus mit Drogen gedealt. Der Polizei sei das bekannt. Diverse Anzeigen hätten Anwohner gestellt, über 100 Beweisfotos lägen vor. Längst hätte diese Drogenumschlagswohnung geschlossen werden müssen.

„Warum sitzt der Mann nicht längst im Knast“, so ein Zwischenruf, der mit Applaus bedacht wurde. Wildfremde hielten sich stundenlang im Hausflur auf, erzählte der Mieter, der sich als Sonderpädagoge outet. Eigentlich habe er ein Herz für Menschen, aber er fühlte sich in seinem eigenen Haus nicht mehr sicher.

Keine Auskunft zu Ermittlungen

Die Polizei sei dankbar für alle Hinweise, aber zu laufenden Ermittlungen dürfe sie sich nicht äußern, antwortete eine Beamtin. Auch sie bestätigte, was keiner im Raum bestreitet: „Auch wir haben festgestellt, dass sich viele Konsumenten hier niederlassen, das zieht sich bis zur Kurfürstenstraße und Frobenstraße.“

Der Kiez ist bekannt für eine alteingesessene Straßenprostitution. Auf die Belastungen, die für die Anwohnerschaft damit einhergehen, hatte Schworck eingangs angespielt, als er sagte: „Danke, dass der Kiez auch mit Vielfalt umgehen kann.“ Aber die Toleranz hatte an diesem Dienstag ihre Grenzen.

Nicht nur die Drogengeschäfte in der Blumenthalstraße 14 waren Thema, auch die öffentliche Wall-Toilette am Eingang des Nelly-Sachs-Parks. Längst werde diese nicht mehr als Toilette, sondern als Druckraum, Schlafstätte und zum Wäschewaschen genutzt, hieß es. Verdreckt und verkotet sei sie, zu bedauern seien die Reinigungskräfte.

Warum die Toilette nicht längst geschlossen sei? Das sei sie, aber sie werde immer wieder aufgebrochen, antwortete eine Mitarbeiterin des Grünflächenamts. Warum die Toilette dann nicht einfach abgerissen werde, fragte jemand. Oder besser noch, warum der Park nicht bewacht werde? „Klar, wäre das eine Lösung, eine Toilette bewachen zu lassen“, gab Schworck zurück. Aber er habe noch nicht mal genug Personal, um eine Jugendfreizeiteinrichtung im Bezirk einzurichten.

Vertreibung ist keine Lösung

Auch in der Yorckstraße, nicht weit weg vom Nelly-Sachs-Park, gebe es eine Drogenszene. Die dortige Toilette sei deshalb geschlossen worden. „Lokale Probleme lassen sich so vielleicht reduzieren, aber sie verschwinden nicht“, erklärte Schworck. Seit neun Jahren suche er in Schöneberg einen Drogenkonsumraum. Vergebens.

Die Landesdrogenbeaufragte Heidi Mutter wies darauf hin, dass es in ganz Berlin überhaupt nur fünf Konsumräume gibt. „Wir hätten gerne mehr, aber wir finden keine Räume.“ Sehr komplex sei das alles, sagte Mutter. „Es gibt diese Drogenabhängigen, sie sind in der Stadt. Vertreibung ist keine Lösung. Wo dürfen sie eigentlich sein, im innerstädtischen Raum?“

Eine von vielen Fragen, die an diesem Abend offenbleiben. Im Januar will man sich wieder treffen. Die Beleuchtung des Parks, die immer wieder ausfällt, wird bis dahin hoffentlich repariert sein. Auch für die Fortführung des Parkläuferprojekts, das Ende 2025 ausläuft, macht sich der Bezirk stark.

Das Projekt steht auf der Kippe. Im Haushaltsansatz für 2026/27 hatte Umweltsenatorin Ute Bonde (CDU) den Posten für die Parkbetreuung in Berlin von 6 Millionen Euro auf null gesetzt. Dieses Geld verwenden die Bezirke unter anderem für die Parkläufer. In den kommenden Tagen soll das Abgeordnetenhaus entscheiden, ob es weitergeht. Auch im Nelly-Sachs-Park.

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