Drogenkonsum in Berlin: „Ein Kommen und Gehen“
Der neue Druckraum am Kottbusser Tor erfreut sich reger Nachfrage. Allein im April wurden 700 Konsumvorgänge gezählt.
taz: Frau Leicht, vor sechs Wochen hat der Drogenkonsumraum am Kottbusser Tor aufgemacht. Wie läuft ’s?
Astrid Leicht: Wir sind sehr froh, dass wir nach fünf Jahren Vorarbeit endlich eröffnen konnten. Zunächst einmal gibt es das Basisangebot: Drogenkonsumräume und Toilettenbenutzung. Wir fahren die Einrichtung Schritt für Schritt hoch und versuchen Routine in den Ablauf zu bringen.
64, ist Geschäftsführerin von Fixpunkt und damit zuständig für die Kontaktstelle Kotti.
Die Kontaktstelle Kotti, wie der Konsumraum heißt, hat täglich, auch sonn- und feiertags, auf. Wie groß ist die Nachfrage?
Unser Standort ist sehr herausfordernd, es herrscht immer ein Kommen und Gehen. Die Einrichtung befindet sich in der östlichen Reichenberger Straße direkt am Eingang D des U-Bahnhofs Kottbusser Tor. Also genau da, wo sich die Menschen treffen, die Drogen nehmen. Wir achten darauf, dass möglichst keine Schlagen entstehen und sich die Leute nicht vor unserer Eingangstür ballen.
Geplant waren zwei Räume mit jeweils vier Plätzen für den Drogenkonsum: ein Raum für die Injektion, der andere zur Inhalation.
Wir haben mit jeweils zwei Plätzen angefangen, inzwischen sind wir bei vier Raucher- und vier Injektionsplätzen angekommen. Wir wollen versuchen, die Platzzahl auf bis zu sechs jeweils zu erhöhen, wobei es dann ganz schön eng wird.
Gibt es schon Zahlen über die Konsumvorgänge?
Wir dokumentieren das relativ genau. Im April hatten wir mehr als 140 Personen in den Drogenkonsumräumen. Fürs Erste ist das schon ganz gut, wird aber sicher noch mehr werden. Es handelt sich um 140 Individuen, die teilweise mehrfach konsumiert haben. Insgesamt hatten wir in diesem Zeitraum mehr als 700 Konsumvorgänge. Besonders interessant ist dabei immer die Zahl der Spritzvorgänge, wir hatten fast 400 Injektionen.
Hätte das sonst alles in Hauseingängen, im U-Bahnhof oder auf Spielplätzen stattgefunden?
Ja, das sind alles Drogenkonsumvorgänge, die nicht im öffentlichen Raum passiert sind.
Lässt sich das eins zu eins übertragen?
Davon gehe ich aus. Die Leute, die wir bei uns erreichen, würden im unmittelbaren Umfeld konsumieren.
Das heißt, am Kotti müsste bereits eine Entlastung spürbar sein?
Da würde ich mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster hängen, weil wir die Grundgröße nicht wissen. Wir wissen ja nicht, wie viel insgesamt konsumiert wird. Eine Entlastung ist es ja nur, wenn es vorher als Belastung empfunden wurde.
Aber der Drogenkonsum wird doch als Belastung empfunden, bedingt durch herumliegende Spritzen und andere Hinterlassenschaften.
Wenn jemand unauffällig raucht oder spritzt und alle Utensilien wieder mitnimmt und keiner was merkt, wird das von der Nachbarschaft nicht als Belastung empfunden. Insofern wäre ich mit einer generalisierenden Aussage vorsichtig. Auf jeden Fall handelt es sich um 700 medizinisch betreute, hygienische Konsumvorgänge, die sonst auch in den Hausfluren stattgefunden hätten.
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