Dritte Übernahme binnen eines Jahres: Air Berlin will höher und weiter fliegen
Nach DBA und LTU will die Berliner Billigfluggesellschaft nun auch Condor schlucken. Für Verbraucher könnte das allerdings Nachteile bringen.
BERLIN taz Die Konzentration auf dem Luftverkehrsmarkt geht mit großen Schritten weiter. Nachdem die Billigfluggesellschaft Air Berlin schon die Deutsche BA und die LTU innerhalb eines Jahres aufgekauft hatte, soll nun der Ferienflieger Condor dazukommen. Dies soll über einen Aktientausch mit dem deutsch-britischen Reisekonzern Thomas Cook geschehen, der mehr als drei Viertel der Condor-Anteile hält, wie Air Berlin am Donnerstag mitteilte. Allerdings kann die Lufthansa diese Pläne noch durchkreuzen; als Minterheitsaktionär von Condor besitzt sie ein Vorverkaufsrecht. Die Lufthansa will dies prüfen und zügig entscheiden; das Bundeskartellamt äußerte sich kritisch zu den Air-Berlin-Plänen.
Im kanadischen Montreal tagt derzeit die Hauptversammlung des UN-Gremiums der Internationalen Zivilluftfahrt Organisation (Icao). Gestritten wird vor allem darum, ob der Flugverkehr in den europäischen Emissionshandel integriert werden soll. Die Verkehrsminister der Europäischen Union sprechen sich dafür aus. Nach aktuellen Berechnungen des Wuppertal Institutes muss die Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs deutlich höher angenommen werden als bisher. Deshalb forderte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am Donnerstag in Berlin, mit einem "ambitionierten Emissionshandel" dagegen zu steuern. Die Icao habe bislang alle relevanten Klimaschutzmaßnahmen blockiert. Die EU müsse an ihren Plänen auch notfalls gegen Beschlüsse der Icao festhalten. Hauptblockierer für einen weltweiten Emissionshandel sind die USA und Kanada.
Im Gegenzug für die Condor-Anteile soll Thomas Cook an Air Berlin, der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft, beteiligt werden. Cook-Chef Manny Fontenla-Novoa begrüßte das Zusammengehen. Als größter Aktionär von Air Berlin profitiere man von Air Berlins umfangreichem Flugangebot. Air-Berlin-Chef Joachim Hunold begründete die Pläne mit dem "schnell fortschreitenden Konzentrationsprozess in der europäischen Luftfahrt". Nach der Übernahme der LTU könne nun ein dichteres Fernstreckennetz angeboten werden. Für Air Berlin bedeuten die Pläne einen weiteren Wachstumsschub. Im vergangenen Jahr zählte Air Berlin nach eigenen Angaben 19,7 Millionen Passagiere, zusammen mit der LTU umfasst die Flotte 131 Maschinen, davon elf Langstreckenjets. Condor hat 35 Flugzeuge und voraussichtlich rund 7,2 Millionen Reisende 2007.
Eine Genehmigung des neuen Air-Berlin-Plans durch das Bundeskartellamt ist aber noch längst nicht ausgemacht. Die Kartellwächter hätten sich bei der erst wenige Wochen zurückliegenden Prüfung der Übernahme der LTU durch Air Berlin gute Marktkenntnisse verschafft, so eine Behördensprecherin. Bei der Untersuchung sei Condor als ein wichtiger Wettbewerber von LTU und Air Berlin identifiziert worden. Verleibt sich Air Berlin nun auch Condor ein, fällt ein Konkurrent weg. Dies dürfte sich vor allem auf touristischen Langstrecken auswirken.
Als guten Schachzug schätzt Gerd Pontius, Chef der Airline-Unternehmensberatung Prologis, die Übernahmepläne von Air Berlin ein. Für Verbraucher hätte der Zusammenschluss positive wie negative Folgen, so Pontius. "Wir hätten erstmals am deutschen Markt eine Konstellation, die die bisherige Marktstellung der Lufthansa auf der Langstrecke ernsthaft verändern könnte." Dies könne zu sinkenden Preisen führen, weil mehr Wettbewerb herrsche. Auf der Kurz- und Mittelstrecke hingegen, der klassischen Urlaubsreise, sei aber eher mit preislichen Nachteilen für den Endverbraucher zu rechnen, da durch den Zusammenschluss weniger Konkurrenz am Markt herrschen würde.
Für die Zukunft der Marke LTU hat Air Berlin am Donnerstag eine Teillösung präsentiert. Auf den traditionellen touristischen Langstrecken soll weiter unter dieser Marke geflogen werden - auf den Mittelstrecken und den Langstrecken für Geschäftsreisende wird darauf verzichtet. Firmenchef Hunold: "International kann sich kaum jemand etwas unter den drei Buchstaben LTU vorstellen." Der Name Air Berlin sei selbsterklärend. "Air steht für Fluggesellschaft und Berlin für die Hauptstadt Deutschlands." Ziel sei es, Fluggäste in den Zielgebieten zu gewinnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter