: Dreisprachen-Land
■ Robert Schindel und die Südtirolerin Sabine Gruber im Literarischen Colloquium
Das Venedig, von dem die Südtiroler Schriftstellerin Sabine Gruber in ihrem Debütroman „Aushäusige“ erzählt, hat mit den bekannten touristischen Ansichten wenig gemein. Statt Grandezza drängt sich Fischgeruch auf; die Gassen sind eng, die Rolläden herabgelassen, selbst das Meer scheint einzig aus Schlick zu bestehen. Eng ist es in dieser Stadt für Rita, die Protagonistin. Genauso eng, wie ihr Südtirol war. Das Gefühl von Zugehörigkeit bleibt Grubers Figur verschlossen. Sie ist – wie auch ihr in Wien lebender Bruder, dem die zweite Stimme zufällt – eine „Aushäusige“.
Für Robert Schindel ist dies auch die „Grundierung“, auf der sich Grubers Schreiben vollziehe. Bei allem Suchen fänden die Helden keine Heimat – „nicht in der Liebe und nicht in einem Staat“, wie es der 1944 geborene österreichische Autor, der zahlreiche Gedichtbände und den Roman „Gebürtig“ veröffentlicht hat, formulierte. Schindel stellte die 35jährige Gruber am Dienstag abend im Literarischen Colloquium vor. Den Rahmen dafür lieferte die auf das ganze Jahr angelegte Lesereihe „Literarisches Doppel – Österreich“, die im vergangenen Monat mit Robert Menasse und Wolf Haas ihren Auftakt nahm. Ein wenig wunderte man sich schon, daß hier eine Autorin aus dem zu Italien zählenden Südtirol auf dem Podium saß. Gruber erklärte das damit, daß sie sich in der Tradition der österreichischen Literatur verorte – und zudem seit 1982 in Wien lebe.
Die an die Lesung anknüpfende Diskussion ließ ähnlich viele Fragen offen wie Grubers knappe Äußerung über ihre literarische Zugehörigkeit. Zwar berichtete die Autorin einiges über die literarischen Zirkel Südtirols, über Zeitschriften beispielsweise, über die lange Zeit vorherrschende Heimatdichtung oder über die Scheu junger Autoren, sich den Dialekt in der Schriftsprache zu eigen zu machen. Auch ein interessantes literatursoziologisches Detail warf sie ein: Die Alpenregion verzeichne heute einen überproportional hohen Anteil an Schriftstellern. Wie allerdings die Situation von Dreisprachigkeit – in Südtirol begegnen einander der Dialekt, das Italienische und als Schriftsprache das Hochdeutsche – sich auf das Schreiben auswirkt, wurde kaum beleuchtet. Von der Präzision und der Beobachtungsgabe, die Grubers Texte prägen, war im Gespräch leider nicht viel zu spüren.
Cristina Nord
Statt Grandezza Fisch-geruch und geschlossene Rolläden, selbst das Meer scheint nur aus Schlick
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