: Drei mit Natur
Americana, aber mit dem Abstand der späten Geburt: Die Hamburger Band Veranda Music spielt im Bastard
Als Steely Dan vor Jahresfrist überraschenderweise säckeweise die Grammies nach Hause karrten, konnte eigentlich nicht wirklich ihr Comeback-Album „Two Against Nature“ gemeint sein. Das war doch reichlich öde. Eher wurde schon die Vergangenheit, die ehrenvollen Kunst des Songwriting, die große Zeit der Geschmackssicherheit ausgezeichnet.
Was das mit Veranda Music zu tun hat? Das Trio aus Hamburg covert mit „Pearl of the Quarter“ einen Song aus der verdienstvollen Vergangenheit von Steely Dan, sie versuchen ähnlich zeitlose Kompositionen zu zimmern und die gut bürgerlichen Kritiker von Zeit bis Woche lieben sie dafür – so wie auch ihre Vorbilder damals in den Siebzigerjahren geliebt wurden. Tatsächlich gibt es immer wieder Momente, in denen bei Veranda Music sogar die selbstverliebte Jazzdudelei von Steely Dan anklingt. Dann vibriert das Vibraphon, trötet das Saxophon und klöppeln die Schlagzeugstöcke nur mehr umwickelt. Einen Augenblick scheint die Virtuosität sich dann im eigenen Selbstzweck zu verirren, findet dann aber doch wieder zurück zum Song, bevor der ins selbst geschaufelte Grab stürzt.
Denn grundsätzlich orientiert man sich eher am amerikanischen Volksmusiken-Fundus und was der an Stimmungen zu bieten hat. Das reicht von bluesiger Verzweiflung über countryeske Klagen bis zum halbwegs unbeschwerten folkigen Geklimper. Sie adaptieren diese Stile, aber eignen sich die Americana nicht notgedrungen an. Den Abstand der Geburt zelebrieren sie dabei durchaus lustvoll als Möglichkeit, die amerikanischen Klischees nicht ernst nehmen zu müssen. Das führt glücklicherweise nicht gleich zum Kabarett, auch wenn sie schon mit Ween verglichen wurden.
Dass Sänger und Hauptsongschreiber Nicolai von Schweder-Schreiner vier Jahre seiner Jugend in Rio de Janeiro verbracht hat, wird zwar immer wieder gern erwähnt, ist aber nur eine biografische Randnotiz, die höchstens für eine prinzipielle Offenheit steht.
Zu hören jedenfalls ist das nicht, auch wenn das zweite aktuelle Album „Leblon“ nach einem Stadtteil der brasilianischen Metropole benannt ist. Mancher Song ist im Gegenteil geradezu etwas sperrig geraten. So als wollte sich die Musik noch eine Sekunde wehren gegen ihre Vereinnahmung, als wollten die Töne nicht aus der Gitarre, die Silben nicht aus dem Mund von Schweder-Schreiner. „Always humble“, singt er dann, „always ready to be proud again.“
Irgendwo dazwischen hat sich die Musik von Veranda Music ihr Plätzchen gesucht und schlenkert nun entspannt mit ihren Beinen. THOMAS WINKLER
Sonntag, 11. März, ab 22 Uhr, Bastard im Prater, Kastanienallee 5–7, Prenzlauer Berg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen