: Drei Ligen sind weniger als eine Liga
George Altman war ein begnadeter Baseballer. Er zeigte es in der MLB, in Japan und in den Negro Leagues. Vermutlich ist er deswegen nicht so bekannt
Eine sportliche Leistung dürfte dann größer und beeindruckender sein, wenn man sich vor Augen führt, wie sie zustande kam. George Altman, der jüngst starb, wurde in Goldsboro, USA, geboren. Das ist nicht nur eine Kleinstadt in North Carolina, sondern war 1933, Altmans Geburtsjahr, auch noch rassistisch segregiert. Schon das war für einen Schwarzen Jungen eine beschissene Voraussetzung, ins Leben zu starten. Seine Mutter starb, als er vier war. Sein Vater brachte die Kinder alleine durch, und dass sein Sohn George immer auf der Straße war, um Baseball und Basketball zu spielen, verstand er nicht und unterstützte er nicht.
„Mein Vater hielt Sport immer für Zeitverschwendung“, notierte Altman in seiner Autobiografie. „Er konnte sich nicht vorstellen, dass man vom Sport leben kann.“ Aber George war gut genug, um ein Stipendium an der, wie sie heute heißt, Tennessee State University zu bekommen. Nach dem Abschluss 1955 wurde er Baseballprofi, und zwar dort, wo man ihn aufnahm, aber nicht gut bezahlte: bei den Kansas City Monarchs in den „Negro Leagues“.
In der Major League Baseball (MLB) spielten damals zwar schon Schwarze. Aber es war halt so, dass sie dort, wie man in den MLB-Klubs wirklich dachte: spielen durften. Als sei es eine gewährte Gnade. 1947 war der Afroamerikaner Jackie Robinson bei den Brooklyn Dodgers aufgelaufen. Dass Robinsons Verpflichtung in der MLB nicht der eine und einzige Durchbruch im US-Sport war, kann einer wie George Altman bezeugen.
Robinson war, als er geholt wurde nicht der größte Star im Schwarzen Baseball. Er galt viel mehr als einer, der smart und bescheiden genug auftrat, um der weißen Sportöffentlichkeit zumutbar zu sein – und dem zugleich zugetraut wurde, die auf ihn wartenden Beleidigungen und Demütigungen wegstecken zu können.
Außerdem war das erklärte Ziel der Integration der besten Schwarzen Profis in die MLB, die Schwächung der „Negro Leagues“. Der Manager der Brooklyn Dodgers, Branch Rickey, der sich feiern ließ als derjenige, der das Ende des Rassismus im US-Sport eingeleitet hatte, sprach den „Negro Leagues“ schlicht das Existenzrecht ab. Deren Managern blieb nur, sich über den respektlosen Umgang zu beklagen.
Und auch Schwarze Profis spürten vom Ende des Rassismus nicht so viel. Von weißen Kollegen gab es Anfeindungen und manchmal mussten Spieler wie Jackie Robinson im Bus warten, während ihre weißen Teamkollegen in Restaurants aßen.
In dieser Zeit wurde George Altman von den Chicago Cubs verpflichtet, ein weißer Spitzenklub. 1959 gab er sein Debüt in der MLB. Er spielte gut, überdurchschnittlich gut – im Baseball kann man das ja anhand der Spielstatistiken belegen –, und vor allem sorgte er für ein paar sporthistorische Momente. 1961 war er der erste, der gegen den Starwerfer der LA Dodgers, Sandy Koufax, zwei Homeruns schaffte. So etwas bleibt im Gedächtnis.
Aber Altman wurde rumgereicht: von den Chicago Cubs zu den St. Louis Cardinals zu den New York Mets. Wenn es einen Spieler abzugeben gab, war einer wie Altman immer der erste, an den man dachte. Nach Verletzungen sortierten ihn die Cubs, wo er wieder gelandet war, ganz aus.
Doch Altman wollte noch nicht aufhören. Er heuerte in Japan an, bei den Lotte Oryons, später bei den Hanshin Tigers – beides Klubs des Nippon Professional Baseball, wie die Profiliga heißt. Sieben Jahre, bis 1975 – man kann auch sagen: bis zu einem Alter von 42 – beeindruckte er dort.
Aus George Altman, für den das Leben in Goldsboro, North Carolina, nicht viele attraktive Optionen vorgesehen hatte, wurde ein Geschäftsmann. Ende November 2025 ist er im Alter von 92 Jahren gestorben. Einer der ganz berühmten Stars wurde er nicht. Das liegt daran, dass mit der bloßen Integration Schwarzer Sportler der Rassismus nicht aus der Welt geschafft ist. Aber Altman war der letzte lebende Profi, der noch sowohl in den MLB als auch in den „Negro Leagues“ und als kleine Zugabe noch in der Nippon League gespielt hat.
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