Downgrading von neun Euroländern: Provokation zur Unzeit

Die Ratingagentur Standard & Poor's bewertet neun Euroländer schlechter und greift die Austeritätspolitik an. Der Zeitpunkt und die Begründung sorgen für Ärger.

Gefällt mir nicht: Standard & Poor's hat mal kurz reingehauen. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Es war ein Rundumschlag: Am Freitagnachmittag stufte die Ratingagentur die Kreditwürdigkeit von neun Euroländern herunter, Frankreich und Österreich verloren die Bestnote AAA. EU-Politiker zeigten sich kalt erwischt.

Dabei war schon seit dem letzten EU-Gipfel im Dezember klar, dass die für ihre aggressiven Ratings berüchtige Agentur aus New York bald wieder zuschlagen würde - denn das hatte sie kurz vor dem Brüsseler Treffen öffentlichkeitswirksam angekündigt.

Klar war auch, dass es diesmal Frankreich treffen würde: Das zweitgrößte Euroland wird an den Anleihemärkten schon seit Monaten schlechter bewertet als Deutschland.

Doch der Zeitpunkt und die Begründung für das Downgrading so vieler Euroländer sorgen für Ärger. Das Timing sei eine Provokation, heißt es in Brüssel. Schließlich hatte sich die Eurokrise gerade etwas entspannt. Italien und Spanien hatten letzte Woche problemlos frische Kredite aufgenommen und dafür deutlich weniger Zinsen zahlen müssen als im letzten Jahr.

Zudem sind weitere Reformen wie der im Dezember beschlossene Fiskalpakt auf dem Weg. "Wir haben an allen Fronten entschlossen auf die Krise reagiert", klagt EU-Währungskommissar Olli Rehn. Die Reformen trügen bereits Früchte - und just da mache S&P mit seinem "inkonsistenten Urteil" alles kaputt.

Säuerlich reagiert man in Brüssel auch auf die Begründung. S&P argumentiert nämlich politisch: Die Beschlüsse des EU-Gipfels seien unzureichend und könnten die Krise sogar noch verschärfen, heißt es in der am Wochenende veröffentlichten Stellungnahme. Die EU konzentriere sich allzu sehr aufs Sparen und vernachlässige das Wachstum. Außerdem seien die Rettungsschirme immer noch zu klein; der Eurozone mangele es an Solidarität.

Keine Gnade

Selbst der von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) entworfene und gegen massiven britischen Widerstand durchgedrückte Fiskalpakt findet keine Gnade. Schon die Grundannahme, dass die Eurokrise durch eine allzu laxe Fiskalpolitik ausgelöst worden sei, sei falsch. Der Kernproblem sei vielmehr das wachsende wirtschaftliche Ungleichgewicht in der Eurozone und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Südländer.

Dazu sagt der Fiskalpakt nichts. Und die geplanten strengeren Budgetregeln sind nach Ansicht von S&P ohnehin nicht durchsetzbar. Vermutlich werde die Fiskalunion schon bei der Ratifizierung scheitern. Und selbst wenn er Anfang 2013 in Kraft treten sollte, könnte er kaum umgesetzt werden, weil es Zweifel an der Rechtsgrundlage gibt.

Insgesamt kommt das Ratingurteil einem Verriss der jüngsten EU-Beschlüsse gleich - und einer Ohrfeige der Regie führenden Kanzlerin Merkel. Doch ein Kurswechsel ist nicht zu erwarten: Merkel forderte am Wochenende, die Verhandlungen über den Fiskalpakt schneller abzuschließen und "Defizitsünder" noch entschiedener zu bestrafen.

Wenn überhaupt, dann dürfte sich das Verdikt der US-amerikanischen Bonitätswächter nur auf den Euro-Rettungsschirm EFSF auswirken. Der könnte nämlich auch seine Top-Bonität verlieren, nachdem seine Kreditgeber Frankreich und Österreich herabgestuft wurden. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker brachte daher bereits eine Verkleinerung ins Gespräch. Denkbar ist auch, dass die Notkredite an Irland und Portugal teurer werden. Beides wäre schlecht für die Euro-Rettung. Beim nächsten EU-Krisengipfel gibt es viel zu tun.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.