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Doppelte StaatsbürgerschaftErbitterter Kampf ums Kleingedruckte

Zwei Pässe soll es nur für Einwandererkinder geben, die hierzulande aufgewachsen sind. Wie weist man das nach? CDU-Politikerin Giousouf hat einen Vorschlag.

Streitfall Doppelpass. Bild: dpa

BERLIN taz | Gerade ist die CDU-Politikerin Cemile Giousouf zur neuen integrationspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag gewählt worden. Die türkischstämmige Newcomerin aus Hagen soll das moderne Gesicht der Union verkörpern. Leicht ist das nicht. Denn die Union ist in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD zwar wieder ein Stückchen mehr von ihrem kategorischen Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft abgerückt. Doch auf dem Rückzug ist sie wild entschlossen, um jeden Zentimeter zu kämpfen.

Offiziell haben sich beide Parteien darauf geeinigt, die sogenannte „Optionspflicht“ abzuschaffen. Nach der müssen sich Einwandererkinder, die mit der Geburt den deutschen und einen anderen Pass bekommen, bis zum 23. Geburtstag für eine Staatsangehörigkeit entscheiden. Legen sie sich nicht fest, geht der deutsche Pass automatisch verloren. Im Koalitionsvertrag steht nun, wer in Deutschland geboren und aufgewachsen sei, dürfe grundsätzlich beide Pässe behalten. Doch jetzt tobt hinter den Kulissen der Kampf ums Kleingedruckte. Es geht um das Wort „aufgewachsen“.

Nach einem Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums sollen Migrantenkinder künftig belegen, dass sie mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben oder einen deutschen Schulabschluss vorweisen können, um beide Pässe zu behalten. Die SPD läuft dagegen Sturm.

Cemile Giousouf versteht die Aufregung nicht: „Dieser Passus hätte der SPD doch schon in der Koalitionsverhandlungen auffallen müssen, sie hat ihm schließlich zugestimmt“, sagt sie. „Ich persönlich wäre dafür gewesen, die Optionspflicht ohne Wenn und Aber abzuschaffen“, gibt sie zwar zu. „Ich kann aber verstehen, dass es meinen Fraktionskollegen wichtig ist, dass die Betroffenen einen Bezug zu Deutschland nachweisen.“

Kriterium Aufenthaltsdauer

Den Schulabschluss hält Giousouf, anders als ihr Parteifreund Wolfgang Bosbach, jedoch „nicht für ein geeignetes Kriterium“. Denn wo bleiben jene, die ihre Schule ohne Abschluss verlassen? „Als Kompromiss fände ich besser, Aufenthaltszeit und -dauer heranzuziehen“, so Giousouf. Das könnte über einen Nachweis der Meldeämter geschehen. „Natürlich ist diese Regelung mit einem gewissen bürokratischen Aufwand verbunden“, räumt sie aber ein.

Die SPD wehrt sich noch gegen jede Auflage und verweist auf den unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand. Die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) wird sich aber mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) einigen müssen. Es ist ihre erste Bewährungsprobe.

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13 Kommentare

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  • BN
    Berlusconis Neffe

    Die Tatsache, dass sich in einem Land wie Italien ein Verein namens "Mafia" trotz globaler NSA-Überwachung gibt,könnte darauf hindeuten, dass es Menschen gibt, die selbst vor der NSA nicht zurückschrecken. Was soll man davon halten? Nun - wenn ich mir Pofallas Sprüche in Erinnerung rufe, dann muss ich mich schon fragen, vor wem ich mehr zu befürchten habe - vor einer Mafia oder vor Pofallas Intelligenz. Was muss oder kann man sich als von einer deutschen Staatsbürgerschaft erhoffen?

  • BN
    Berlusconis Neffe

    Es gibt keinen vernünftigen Grund die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen.

  • T
    T.M.

    Es herrscht doch jetzt schon ein doppelter Standard. Wenn ein Elternteil deutsch ist gibt es ohne Probleme die doppelte Staatsbürgerschaft wenn der andere Elternteil türkisch ist, egal wo das Kind geboren ist. Für schon lange hier lebende soll sie nicht gelten, nur weil ein Elternteil die falsche Staatsangehörigkeit hat!? Das ist doch absurd!

  • RB
    Rüdiger Bäcker

    Würde man nur an die Aufenthaltsdauer anknüpfen, würde dies in der Folge enorme rechtliche Probleme mit sich bringen, da sich hieran unter dem Aspekt der Gleichbehandlung auch andere anhängen können. Es dürfte schwer zu vermitteln sein, dass es einen Doppelpaß ohne deutschen Schulabschluß geben soll, während man bei anderen Zuwanderern gerade die ausreichende Bildung immer als Essential hochhält. Wer keinen Schulabschluß hat, dem fehlen nun einmal wichtige Voraussetzungen für die deutsche Staatsbürgerschaft. Es ist auch nicht das Problem Deutschlands, dass Schüler und Eltern in ihrer Biografie falsche Entscheidungen getroffen haben. Mindestaufenthalstzeit plus Bildung, alles andere führt zur Kassation!

  • BN
    Berlusconis Neffe

    Ich bin in Deutschland geboren (in den 60iger Jahren) mal sehen ob ich als italienischer "Freidenker" den deutschen Pass bekommen werde ohne meinen italiensichen abzugebem.

    • G
      gat
      @Berlusconis Neffe:

      Deutscher zu werden ist eine schwierige Angelegenheit, erstens der wahnsinnige Papierkram, die Kosten, die gute Laune gewisser Leute. Dann muss der Ehepartner der Deutscher ist von Geburt an, eine Urkunde beibringen Deutscher zu sein. Ist das nicht krank ?

  • A
    Araf

    nirgends steht etwas konkretes über die doppelte Staatsangehörigkeit für Türken, ich würde gerne wissen ob Menschen die vor 2000 geboren sind auch ein Recht auf die doppelte Staatsangehörigkeit haben auch verstehe ich nicht warum Amerikaner ein Recht auf die doppelte Staatsangehörigkeit haben und wir Türken müssen Jahre dafür kämpfen obwohl wir hier geboren und aufgewachsen sind

    • T
      tsaG
      @Araf:

      Frag doch mal die Frau Bundeskanzlerin, die hat Richtlinienkompetenz.

  • R
    Roland

    Wohin die doppelte Staatsbürgerschaft führt, zeigt die gespielte Entrüstung zum Anschlag auf den Moscheebau in Köln-Ehrenfeld. Als der Täter noch unklar war, ließ sich V. Beck zum Islamhass deutscher Neonazis aus (das zieht immer). Nun war es ein "türkischer Staatsbürger" - und Schuld sind die allein Drogen, von politischen Vermutungen keine Spur mehr. Ein türkischer Staatsbürger ist halt unbelastet von der deutschen Erbschuld des Nationalsozialismus. Und ein Täter mit Doppelpass kann es sich immer aussuchen, was gerade besser passt. Da werden z.B. judenfeindliche Sprüche auch gern mal als Kulturbegleiterscheinung bagatellisiert. Genau das macht die doppelte Staatsbürgerschaft bei Türken ohne Bezug zu Deutschland so problematisch!

  • K
    Klarsteller

    Ist der Doppelpass erst einmal eingeführt, wird die türkische Regierung nicht nur wie jetzt schon türkischen Wahlkampf in Deutschland machen, sondern sich auch massiv in den deutschen Wahlkampf einmischen.

    • A
      Antworter
      @Klarsteller:

      Aber die Amerikaner haben da nicht Ihre Finger im Spiel, was?

  • BI
    Bin ich ein Mensch

    Warum so kompliziert?

     

    einfach

     

    Mehrfachstaatsbürgerschaften grundsätzlich erlauben/akzeptieren/annerkennen

  • MF
    Migrant für migrationsfreundliche Regelung

    Die CDU ist einfach eine Blut- und Bodenpartei. Das lässt sich mit einer "türkischstämmige" (sic; völkische taz?! : siehe wikipedia: Türkeistämmige in Deutschland sind Menschen mit deutscher, türkischer oder beiden Staatsbürgerschaften, die in Deutschland leben und die selbst oder deren Vorfahren früher dauerhaft in der Türkei lebten oder türkische Staatsbürger waren. In offiziellen Statistiken ist der Begriff Türken in Deutschland die Bezeichnung für Staatsbürger der Türkei, die in Deutschland leben. Als Türken werden darüber hinaus häufig auch Menschen bezeichnet, die ihre türkische Staatsbürgerschaft aufgegeben und nach ihrer Einwanderung die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben, umgangssprachlich auch Deutschtürken genannt. Etwa drei Millionen Menschen mit Migrationshintergrund haben ihre familiären oder religiösen Wurzeln in der Türkei. Der Begriff Türkeistämmige ist ein Neologismus, der sich gegenüber dem im allgemeinen Sprachgebrauch verbreiteten Türkischstämmige dadurch abgrenzt, dass er nicht nur Angehörige der ethnischen Gruppe der Türken, sondern alle ethnischen und sprachlichen Gruppen des Staatsgebietes der Republik Türkei umfasst, insbesondere die auch innerhalb der Türkei ethnische Minderheit der Kurden, die sich in Deutschland niedergelassen haben.) integrationspolitischen Sprecherin auch nicht PR-gerecht verschleiern. Die CDU sollte lieber erstmal ihre rassistischen Haltungen überwinden.