Doping im Radsport: Ein ahnungsloser Gutradler
Jens Voigt ist seit 16 Jahren Radprofi. Zur aktuellen Dopingdebatte hat er nichts beizutragen. Denn er will nichts mitbekommen haben.
Jens Voigt ist 41 Jahre alt. Seit 16 Jahren ist er Radprofi. Er hat alles erlebt und doch nichts gesehen – zumindest nichts Verdächtiges. Jetzt hat er ein Bekenntnis abgelegt. Nein, kein Geständnis.
Auf dem Radsportportal bicycling.com schreibt er zu Beginn eines langen persönlichen Textes an seine Fans: „Manche von euch mögen sich fragen: Oh Gott, ist Jens der nächste. Ich kann darauf schnell und einfach antworten: Nein, es gibt nichts zu gestehen in meiner Karriere. Macht euch locker.“ Und dann erzählt er die Geschichte seiner Karriere, in der er nichts, aber auch gar nicht von den Praktiken seiner dopenden Kollegen mitbekommen haben will.
Klar, als Kind hat er nicht gedopt, als jugendlicher Eliteschüler in der DDR nicht und auch nicht als Fahrer des DDR-Nationalteams. Heute wisse man ja, dass in der DDR gedopt wurde, schreibt Voigt, aber er selbst sei für das Dopingprogramm „entweder zu jung oder noch nicht gut genug gewesen“. Und dann fiel die Mauer und bald schon wurde Voigt Profi.
Seine erste Tour fuhr er 1998, dem Jahr des großen Festina-Skandals. Viele Kollegen hätten gedopt. Ein Schock für Voigt, der – natürlich – sauber blieb und in seinem Text nichts von der Epo-Ära erwähnt. Voigt ist immer mittendrin und sagt doch, dass er nie dabei gewesen ist. Als er zu Bjarne Riis’ Team CSC wechselt, fliegt sein Kapitän Ivan Basso als Kunde des Blutdoping-Gurus Eufemiano Fuentes auf.
Wieder wundert sich Voigt und hat angeblich nie mit nichts etwas zu tun gehabt. Manchmal hatte er einen Verdacht – mehr aber nicht. In der vergangenen Saison war sein sportlicher Leiter im Team RadioShack jener Johan Bruynel, der Lance Armstrong bei seinen sieben Toursiegen betreut hat. Aber auch da soll nichts gewesen sein.
Voigt zeichnet von sich ein Bild als ehrliche Haut und macht sich so zum nützlichen Idioten des Radsportweltverbands. Wie die UCI sagt auch er, der Radsport sei sauberer geworden. Er selbst sei der Beweis, schließlich könne er mit seinen 41 Jahren ohne pharmazeutische Hilfsmittel mithalten. Sein Gewissen ist rein. Alles ist gut. „Ich bin müde, Fremden meine Arbeit zu erklären und meine Existenz zu rechtfertigen“, schreibt Voigt, der stolze sechsfache Vater.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen