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Dominic Johnson über die neue Eskalation in LibyenKeine Ordnung in Sicht

Der angstvolle europäische Blick auf das Mittelmeer, der immer dann aufkommt, wenn wieder einmal ein paar Tausend verzweifelte Afrikaner auf hoher See aus sinkenden Schlauchbooten gerettet werden, hat insgeheim einen Ruhepol der Hoffnung: nämlich die Annahme, dass die Flucht- und Migrationsbewegungen über das Meer aufhören, wenn einmal jenseits der Gewässer auf dem afrikanischen Festland geordnete Verhältnisse herrschen.

Diese Hoffnung war schon immer ziemlich unbegründet, denn die geordneten Verhältnisse stellen sich nie ein – weder unter der Willkür von Diktatoren noch im Chaos der Nach-Gaddafi-Ära in Libyen. Stattdessen ist der beständige Nachschub an migrationswilligen Afrikanern eine Art erneuerbare Energiequelle geworden, aus der alle Akteure in der libyschen Unübersichtlichkeit immer wieder finanzielle Kraft schöpfen.

Nun, mit einem selbst für libysche Verhältnisse besonders brutalen Massaker an Soldaten in Libyens Sahara-Region, ist die Unübersichtlichkeit noch unübersichtlicher geworden. Der Konflikt zwischen Libyens rivalisierenden Machtzentren, Tripolis/Misrata im Westen und Bengasi/Tobruk im Osten, ergreift das ganze Land – und zieht damit auch bewaffnete Akteure aus Nachbarländern an, die daran mit verdienen wollen.

Die hilflosen internationalen Versuche, aus dem Chaos mit einer Art Gedankenübertragung Ordnung zu schaffen, indem man allen Konfliktparteien einen Platz in einer nur in den Köpfen bestehenden neuen Struktur anbietet, sind damit voraussichtlich vollends gescheitert. Jedenfalls wäre der deutsche UN-Sonderbeauftragte Martin Kobler und die anderen hilflosen Libyen-Diplomaten gut damit beraten, einfach ihre Ämter niederzulegen. Ersatzlos. Und alle Bemühungen darauf zu konzentrieren, dass keine einzige Leiche mehr im Mittelmeer treibt. Menschenleben zählen. Politische Ämter in einem zerfallenen Staat zählen nicht.

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