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DokumentationDie gezielte Vertreibung trägt den Namen „Operation Hufeisen“

■ Die Deportation der Kosovo-Albaner wurde schon Ende letzten Jahres im Umfeld von Präsident Milosevic geplant, erklärt das Bonner Verteidigungsministerium, das folgende Dokumente im Internet veröffentlicht hat

Karte 1

Die gegenwärtige Lage im Kosovo stellt sich weitgehend auch als Ergebnis eines nach mehreren Hinweisen offenbar bereits Ende letzten Jahres in Miloevics Umfeld erarbeiteten strategischen Planes mit der Bezeichnung „Hufeisen“ – serbisch: Potkova – dar.

Die Elemente dieses Planes, der in seinen Details allerdings nicht bekannt ist, dürften teilweise – wie jeder Operationsplan – an sich ändernde politische Vorgaben und militärische Lageentwicklungen angepaßt worden sein bzw. von vornherein bestimmte Varianten eingeschlossen haben. Dislozierung und Stoßrichtungen der serbisch-jugoslawischen Kräfte im Kosovo in den letzten Monaten bieten jedoch genug Indizien, die auf ein im Prinzip „hufeisenförmiges“ Vorgehen im Kosovo hindeuten.

Hauptziel der „Operation Hufeisen“ ist aus unserer Sicht die Zerschlagung bzw. Neutralisierung der UÇK im Kosovo. Vertreibungen der kosovo-albanischen Bevölkerung mit dem Ziel gewaltsamer regionaler demographischer Veränderungen sind offensichtlich Bestandteil des Planes.

So wurde eindeutig eine gezielte Vertreibung von Kosovo-Albanern aus ihren Dörfern und Siedlungen entlang eines breiten Streifens beidseitig der Hauptverbindungsstraßen im Kosovo erkannt. Vor allem in den UÇK-Hochburgen in der Llap-, Shala- und Drenica-Region wurden mit Vertreibung von Kosovo-Albanern der UÇK ihre Basis und ihr Rückhalt. Dies war für Belgrad sehr wahrscheinlich die Umsetzung der zentralen Lehre, die aus dem Vorghgen gegen die UÇK im Sommer/Herbst letzten Jahres gezogen wurde. Damals war es Belgrad gelungen, mit massiven Operationen die UÇK aus dem von ihr kontrollierten, etwa 40prozentigen Flächenanteil des Kosovo zurückzudrängen. Aber nur für kurze Zeit.

Zur Erinnerung – auf dem Höhepunkt dieser Operationen belief sich die Zahl der aus ihren Häusern vertriebenen oder geflohenen Menschen auf etwa 300.000 Menschen, bis zu 50.000 kampierten zeitweilig unter freiem Himmel. Nachdem im Oktober auf Druck der internationalen Gemeinschaft Belgrad zunächst einlenkte, die OSZE-Verifikationsmission akzeptierte und Verpflichtungen hinsichtlich Stärke und Dislozierung seiner Kräfte im Kosovo einging, kehrten zumindest viele Binnenvertriebene in ihre Heimatwohnorte zurück. Mit ihnen aber auch die UÇK – für Belgrad ein unannehmbarer Zustand.

Mit dem „Hufeisenplan“ sollte die Wiederholung dieser Abläufe ein für allemal verhindert werden. Selbst während der Rambouillet-Gespräche vom 6. bis 20. Februar 1999 war unverkennbar, daß Belgrad sich nicht mit der Existenz der UÇK im Kosovo abfinden wollte. Für Belgrad war und ist die UÇK Instrument des Terrors und des Separatismus, gegen das jedes Mittel eingesetzt werden muß. Während die serbische Delegation in Rambouillet und Paris vom 15. bis 19. März 1999 den Eindruck erweckte zu verhandeln, führten die serbischen Kräfte ihre Operation gegen die UÇK und die Zivilbevölkerung fort. Eine ernsthafte Beteiligung der Serben an den Verhandlungen war von Miloevic also kaum beabsichtigt.

Karte 2

Bereits im Januar nahm die Bekämpfung der UÇK durch Streit- und Sicherheitskräfte zunächst inbesondere im Norden im Raum Podujevo und Mitrovica zu. Gleichzeitig wurde nördlich von Podujevo außerhalb des Kosovo ein starker gepanzerter Eingreifverband bereitgestellt.

Karte 3

Im Februar drängten die serbischen Kräfte die UÇK aus der Fläche von beiden Seiten in die West- und Osthänge der Cicavica-Berge ab, gingen gegen die UÇK von Osten her im Raum Stimlje vor und bekämpften diese erstmals im Süden des Kosovo im Raum Kacanik in Grenznähe zu Makedonien.

Karte 4

Ende März befand sich die Operation Hufeisen in vollem Gange, nachdem zuvor einige Verstärkungen der Landstreitkräfte in den Kosovo erfolgt waren. Die Kämpfe wurden in die Drenica-Region, in der der Kampf der UÇK im Frühjahr 1998 nach dem Massaker serbischer Kräfte am Jashari-Clan seinen Ausgangspunkt hatte, ausgeweitet. Die UÇK geriet in allen Operationszonen in die Defensive, die Zahl der Vertriebenen und Flüchtlinge stieg dramatisch an. Derzeit liegt der Schwerpunkt des Vorgehens der serbischen Kräfte im Westen im Raum Pec-Djakovica.

Quelle: http://www.bundeswehr.de/kosovo/hufeisen.html

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