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Dokumentarfilm „Speed“Entschleunigung im Hamsterrad

Das gute Leben zieht zuweilen zu schnell an uns vorbei. Florian Opitz macht sich im Dokumentarfilm „Speed“ auf die Suche nach der verlorenen Zeit.

Es gibt auch Leute, die aus dem Hamsterrad ein gutes Leben machen. Bild: dapd
Interview von Charlotte Langenkamp

taz: Herr Opitz, Sie haben den Dokumentarfilm „Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ gedreht, der sich mit der Beschleunigung unseres Lebens befasst. Ist das gute Leben entschleunigt?

Florian Opitz: Genau diese Frage habe ich mir auch gestellt. Ich habe auf den Stationen in Butan, in Patagonien und in der Schweiz verschiedene Ansätze kennen gelernt, von denen ich mir auch einiges persönlich mitnehmen konnte. Aber das gute Leben in aller Konsequenz habe ich nicht gefunden.

Was haben Sie aus den Dreharbeiten für sich mitgenommen?

Zunächst einmal, dass ich nicht gleich wieder so ein aufwendiges Projekt anfange, sondern mir eine kleine Auszeit gönne. Aber ich versuche etwas bewusster mit meiner Zeit umzugehen und bestimmte Optionen nicht wahrzunehmen, um andere voller auszuschöpfen. Und mein Umgang mit den ganzen technischen Gadgets, die unser Leben prägen, hat sich schon verändert.

Sie besitzen aber nach wie vor ein iPhone?

Florian Opitz

Jahrgang 1973,ist Dokumentarfilmer und Autor. Er studierte Geschichte, Psychologie sowie Englische und Amerikanische Literaturwissenschaften. Seit 1998 dreht er Dokumentarfilme. Für seinen Film „Der große Ausverkauf“ bekam er 2009 den Grimme-Preis. Diesen Herbst kommt sein Dokumentarfilm „Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ in die Kinos, das gleichnamige Buch dazu erschien 2011 im Riemann Verlag.

Ja, ich glaube, es geht auch nicht darum, die moderne Technik komplett zu verdammen. Das wäre irgendwie zu einfach. In vielerlei Hinsicht hilft sie uns ja. Aber wir müssen wieder lernen, vernünftig damit umzugehen. Sie uns zunutze zu machen und nicht uns das Leben nach den Mechanismen dieser Technik diktieren zu lassen.

Seit Jahrzehnten heißt es, dass sich unser Leben immer mehr beschleunigt. Was sind denn die Indizien dafür, dass es bald wirklich nicht mehr weitergeht?

Technologisch sind die Grenzen noch nicht erreicht. Aber wir stoßen langsam an unsere biologischen Grenzen. Ein wichtiger Faktor ist auch, dass sich die geregelte Arbeitszeit aufgelöst hat. Wir kennen keinen Feierabend mehr, weil wir die Arbeit nicht nur als Freiberufler immer mehr mit nach Hause nehmen und dort Tag und Nacht für die Firma oder Kunden erreichbar sind. Und genau dieser Stress, der beschleunigt unser Leben und überlastet uns.

Was sind denn die eigentlichen Ursachen dieser zunehmenden Beschleunigung?

Der Wettbewerbsgedanke, der unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem innewohnt, spielt eine entscheidende Rolle. Klar gab es den schon immer, aber er wird auf immer breitere gesellschaftliche Bereiche übertragen. Das Problem heutzutage ist, dass wir nicht mehr nach einem Ziel fragen. Warum muss etwas wettbewerbsfähig sein? Damit wir alle das gute Leben finden können? Das steht gar nicht mehr im Mittelpunkt. Im Grunde ist Wettbewerbsfähigkeit zu einem Wert an sich erhoben worden, dem die Gesellschaft nachstreben soll.

Parallel zum Film haben Sie auch das gleichnamige Buch geschrieben. Optimal, oder?

Na ja, ich habe mich ziemlich überschätzt. Ich dachte, ich könnte den Film drehen, dazu das Buch schreiben und gleichzeitig zwei Kinder haben. Das war die beschleunigteste Zeit meines Lebens - und das war natürlich einigermaßen absurd. Ich habe über Möglichkeiten der Entschleunigung nachgedacht und gleichzeitig in einem Hamsterrad gesteckt. Ich habe diesen Widerspruch auch täglich in mir gespürt. Es klingt banal, aber ich habe gelernt, dass man sich auch einfach abkoppeln kann von der Welt und ihren Möglichkeiten. Dass man das Handy auch mal ausschalten kann, obwohl mir das nicht so oft gelingt, wie ich es gerne machen würde.

Florian Opitz Dokumentarfilm „Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ wird am 14. April auf dem tazlab exklusiv gezeigt, er kommt im September in die Kinos.

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4 Kommentare

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  • M
    Mueschel

    Ach Gottchent, wir leben gefährlich, Burn-Out droht (schon wieder), Vereinsamung (schluchz). Gut, dass sich "Filmemacher" Opitz endlich mal des Themas annimmt. Jetzt wissen wir Bescheid. Und Vorsicht - nicht zu viele E-Mails checken! Mal ehrlich, reiner Zeitdiebstahl dieses völlig abgenudelte Thema für das (mal wieder) völlig unreflektiert Werbung in "redaktionellen" Artikeln und im Öffi-TV (Planet Wissen) gemacht wird. Dem Florian sein Bankkonto wirds freuen...

  • A
    aha

    ...das Handy, sorry iphone, auch mal ausschalten... was für eine Erkenntnis... Freiberufler/Selbstständige haben nie Feierabend... aha....

     

    Klingt irgendwie nach - altem Hut? bin gespannt auf den Film und "neue" Erkenntnisse

  • Y
    yberg

    die aus dem wettbewerb folgende wachstumsoptimierung und effizienzanbetung verführt die eigentümer und manager der unternehmer eine seelenlose mechanische betrachtung der fertigkeiten und fähigkeiten ihrer human resources-früher mitarbeiter- anzustellen.

     

    so glauben sie sich der verantwortung für die beschäftigten ihrer unternehmen entziehen zu können und den mitarbeitern ungestraft immer höhere leistungsgrenzen setzen zu können.

     

    vereinfacht gesagt:

    unterstützt von den größten wachstumsgläubigen,den politikern,die sich dafür nach der politkarriere bei den unternehmen bedienen dürfen,werden immer mehr schutzrechte von arbeitnehmern ausgehöhlt und neue ausbeutungsvarianten geschaffen.ohne not wurden und werden billiglöhne und verminderte arbeitsschutzrechte mit neuen gesetzlichen regelungen eingeführt.

     

    mir wurde in der schule ,zwoote hälfte der sechziger,noch erzählt,daß wir alle mal mehrere berufe haben würden,dem fortschritt geschuldet aber dafür mit 25 wochenstunden arbeit unseren lebensunterhalt bestreiten könnten.

     

    heute stellt es sich wohl überspitzt gesagt eher so dar,daß viele in mehreren berufen 25 wochenstunden arbeiten mussen ,um über die runden zu kommen.

     

    dafür müssen die selbsternannten spitzenleister unserer wirtschaft und gesellschaft die bürde des tausendfachen,hundertfachen und immerhin noch zigfachen eines durchschnittlichen arbeitnehmereinkommens tragen und ihr geschenk unverständlicher weise auch noch versteuern.

     

    umverteilen von oben nach unten und höhere einkommens- und unternehmenssteuern zu gunsten der unteren einkommen wäre möglich,wenn wir wieder die alten steuersätze von 1990 rauskramen würden.

     

    wir hätten keine zusammenbrechende wirtschaft, blühende landschaften,viel weniger spekulation,da diese sich hauptsächlich aus gewinnen die anlage suchen nährt.

     

    mit den schlapp 70 - 80 milliarden könnten wir eine humanere gesellschaft anstreben nachedem wir gelernt haben,daß die steuerprivilegierten gutverdiener und unternehmer es der gesellschaft,die ihnen dies ermöglicht,nicht danken.

     

    ob man ne höhere oder um 10 - 20 % niederere steuer zahlt kriegt man ab ner bestimmten einkommenshöhe eh nicht mehr mit.es reicht allemal für die üblichen insignien und statusabzeichen,ein reineres gewissen inclusive.

     

    übrigens könnte unsere einkommenselite demnächst auf den langmut unserer bevölkerung angewiesen sein nämlich dann,wenn sich die eurozone mit endgültig ünlösbaren problemen konfrontiert sieht.

  • SL
    Sam Lowry

    Meiner Meinung nach hat dies gravierende Folgen für die Gesellschaft: Steigende Suchtzahlen bei Alkohol und Internet, was in meinem Bekanntenkreis sehr offensichtlich abends zusammengehört.

    Beziehungsunfähigkeit und Werteverfall, da der nächste "Freund" kaum zwei Mausklicks oder SMS entfernt ist.

    Oberflächlichkeit und Abstumpfung im Umgang mit seinen Mitmenschen im "Real Life".

    Immer mehr haben wollen, doch es ist ja nie genug:

    Und am Ende bleibt nichts...