Doku über Pakistan: Staat als Beute
Nicht nur in Afghanistan wüten Gotteskrieger: "Pakistan im Griff der Taliban" (Mittwoch um 21.50 Uhr auf Arte).
Wenn es um die Taliban geht, konzentriert sich das Interesse hierzulande auf Afghanistan, wo die Bundeswehr im Einsatz ist. Dabei gerät aus dem Blick, dass im Nordwesten Pakistans ein Krieg zwischen Regierungskräften und Talibanmilizen tobt, der zweieinhalb Millionen Menschen zu Flüchtlingen im eigenen Land gemacht hat.
Die Doku "Pakistan im Griff der Taliban" macht deutlich: Die radikalen Islamisten haben einen weiteren Staat in eine existenzielle Krise gestürzt. Einfluss übt die Terrorgruppe sogar in Großstädten aus, die sie offiziell nicht kontrolliert. Dass die Regierung mancherorts Konzessionen gegenüber den Taliban gemacht hat, macht die Sache nicht einfacher. Die Dreharbeiten, die in diesem Frühjahr stattfanden, wären heute teilweise nicht mehr möglich: Aus der Region im Swat-Tal, in der die Dokumentation des Autorentrios um die pakistanische Journalistin Sharmeen Obaid-Chinoy beginnt, berichten mittlerweile keine Medienvertreter mehr, nachdem dort mindestens vier Kollegen innerhalb kurzer Zeit ermordet worden sind. Gefährlich war die Arbeit für Obaid-Chinoy und ihr Team ohnehin: Einmal muss sie ein Interview abbrechen, weil in der Nähe Granaten einschlagen.
Obaid-Chinoy spricht vor allem mit Kindern und Jugendlichen, etwa einem zehnjährigen Mädchen, das seine halbe Familie verloren hat. Den Machern ist es nicht nur gelungen, Opfer der Gotteskrieger zu finden, die sich vor der Kamera zu äußern wagen, sondern auch Täter - und Suizidanwärter, die es kaum erwarten können, mit dem Massenmorden loszulegen. Ein Koranschüler sagt, wenn die Regierung es durch ein Verbot geschafft habe, dass niemand mehr Plastiktüten benutzt, müsse sie auch dazu in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass Frauen das Haus nicht verlassen. Der Knabe ist 14 Jahre alt - zu alt, um noch gerettet zu werden.
"Pakistan im Griff der Taliban" zeigt: Die Regierung kann den Kampf gegen die Feinde der Zivilisation kaum gewinnen. Vor allem nicht allein mit militärischen Mitteln. Ein Kinderrekrutierer der Taliban sagt, seine Schützlinge seien "fünf, sechs, sieben Jahre alt" - für wichtig halten die Autoren daher, dass Geld in Bildungsmaßnahmen fließt, die verhindern, dass sich die Taliban Nachwuchs gefügig machen können. "Bildung ist ein Sonnenstrahl", sagt eine etwa Elfjährige, deren Schule von Taliban zerstört wurde. Ein durchaus passendes Bild. Bildung als wichtige Waffe gegen die totale Finsternis, die die Taliban über das Land bringen wollen.
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