piwik no script img

Doku über Homophobie im FußballBikinimäuse außer Sicht

"Das große Tabu - Homosexualität und Fußball" heißt eine DSF-Doku. Ein trauriger Film, denn es wird klar: Homophobie ist auf dem Platz sehr verbreitet.

Gerne mal homophob: Christoph Daum. Bild: dpa

Des überfälligsten Themas unter der Sonne nehmen sich nicht ARD und ZDF an, mit ihren stets stolz ausgestellten Dokumentarfilm-Sendeplätzen, nicht die ThemenabendspezialistInnen von Arte. Sondern das DSF, wo außer- und innerhalb der Sportsendungen fast nur Werbung läuft und nachts wollüstige Bikinimäuse Automarken mit "H" suchen lassen. "Das große Tabu: Homosexualität und Fußball" heißt die Dokumentation, die das erste Mal den Präsidenten des Deutschen-Fußball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger, den Manager Rainer Calmund, Nationalspieler Phillip Lahm und den Trainer Christoph Daum zum Thema reden lässt. Oder besser reden macht: Es ist neu, dass sich der DFB offiziell zu homosexuellen Spielern in den eigenen Reihen äußert.

Die Doku ist gründlich: Man hat im traurigen Archiv der Gewalttätigkeiten gegen offen schwule Spieler geblättert, man reißt die Geschichten des britischen Fußballprofis Justin Fashanu, des offen schwulen holländischen Schiedsrichters John Blankenstein und des HSV-Spielers Heinz Bonn an, die alle bereits nicht mehr leben. Es wird fein differenziert zwischen Problemen mit den weiblichen und den männlichen Mannschaften - bei den Frauen, auch der erfolgreichen Nationalelf, fehlt nach wie vor die grölende Masse in den Stadien, stattdessen schauen denen eher tolerantere weibliche Fans zu.

Die Macher haben mit der ehemaligen Nationalspielerin Tanja Walther und dem Grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck die öffentlichen, kundigen und umtriebigen AktivistInnen befragt. Zu sehen sind noch Aufnahmen und Interviews vom 23. Mai, dem zweiten Aktionstag gegen Schwulen- und Lesbenfeindlichkeit beim Fußball, in denen Christoph Daums selten dämlicher und hochgradig schwulenphobischer Ausspruch, der Kinderschutz ginge aber auf jeden Fall vor die Liberalisierung der Verhältnisse, wie eine Stinkbombe platzte. Doch das war - ganz im Wowereitschen Sinne - tatsächlich mal gut so.

Denn auch wenn Zwanziger, Calmund und Lahm, wenn mehr als die Hälfte der befragten Fans vor den Stadien in Bremen, Berlin, München und Erfurt tolerant und modern klingen und die sexuelle Orientierung eines Spielers ganz klar in sein Privatleben verweisen, auch wenn der vorzeigemäßig antihomophobie-aktive Zweitligist St. Pauli bei seinen Spielen schon mal einen Banner mit "Schwulenhatz ist fehl am Platz" unter dem Jubel des Publikums auf den Rasen trägt, ist das Thema noch lange nicht durch. Schließlich gibt es noch die andere Hälfte. Die lebt mit der stillschweigenden - oder auch laut aus den Rängen heruntergebrüllten - Ansicht, Schwule gehörten entweder verprügelt, veräppelt, verachtet oder gleich zerstört. Und steht dabei nicht allein in der Fußballwelt. Oder wieso ließ sich außer dem brandneuen Homoaktivisten Zwanziger sonst keiner der eingeladenen Clubchefs beim Aktionstag in Köln blicken? Wieso winkt Mario Basler zuerst ab, als er zu schwulen Fußballern befragt wird, und behauptet schlichtweg, das gäbe es nicht, während er am Ansteckmikro nestelt? Und selbst die Fans, die schwule Spieler akzeptieren wollen, warnen vor den Reaktionen der anderen, dem miesen, so sexistischen wie homophoben Mob.

Eine Stigmatisierung, darin sind sich alle einig, würde, hast du nicht gesehn, das zart tolerante Klima zerstören, sobald einer der schwulen Sportler auf dem Platz versagte. Die Beleidigungen, die in diesem Fall über ihm ausgekübelt würden, stinken jetzt schon zum Himmel. Dass mit einem Porträt von Marie Carsten, die unter dem Namen Rudi Carsten eine Spieler- und später Schiedsrichterkarriere startete, bis sie ihre Transidentität entdeckte, auch ein "queeres" Thema mitbearbeitet wird - man darf nicht vergessen, dass TransidentikerInnen genauso oft oder selten schwul und lesbisch sind wie sogenannte Bios -, passt auf den ersten Blick zwar nicht ganz, wird aber durch ein Kabinettstückchen gerechtfertigt: Marie Carsten hat Kontakt zu einem der verdeckt lebenden schwulen Spieler in der Bundesliga, der ihr sogar ein Interview gibt - per Mail zwar und insofern leider medial nicht so wuchtig, wie es sein könnte. Aber die Vorsicht dieses Spielers, der von großer Angst vor Outing spricht, lässt noch mal tief blicken.

Wenn die konservativen Redaktionen der Sportmagazine im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schlau sind, greifen sie dieses Thema rasch auf. Machen daraus Filme, Aktionstage und investigative Interviews, vielleicht mit etwas weniger Privatfernsehen-Ästhetik und dräuender Hintergrundmusik als Aljoscha Pauses DSF-Stück, das man ansonsten nur beklatschen kann.

("Das große Tabu - Homosexualität und Fußball", 18.45 Uhr, DSF)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • GM
    gustav mit der hupe

    Ich glaube, dass da ein Knall durch Europa gehen wird, wenn sich mal ein paar der Samstagslieblinge als Schwestern outen.

     

    Die geronten-Mullahkratie von Dfb/Uefa/Fifa sind eh die letzten, die den bigotten Schleier verordnen.

     

    Naja. mit den Klinsis, Kloppos und Hopps kommt eine neue, offenere Generation. Vielleicht entkrampft sich das Thema ja mit denen...

  • DL
    De letis

    Mit Steuergeldern (Stadien, Infrastruktur, ...) wird eine Verdummiungskultur unterstützt, dessen Akteure sich rassistisch /minderheitendiskriminierend / gewaltätig/(...) geben. Es wird Zeit, dass das aufhört.

  • G
    Gegendarsteller

    Queerkopf, Du fragst, was denn "gegen Beziehungen zwischen Trainern und jungen Spielern im Jugendfußball zu sagen" sei.

    Ganz einfach: Es handelt sich bei den Jugendlichen aus Sicht des Betreuers um Schutzbefohlene. Da stellt einvernehmlicher Geschlechtsverkehr (sofern der Schützling volljährig ist) womöglich keine Straftat-, sehr wohl aber einen moralischen Fehltritt dar, der für die künftige Beziehung zwischen Trainer und Sportler (auch bei heterosexuellen Kontakten) gar nicht gut sein kann.

    Krass ist in diesem Zusammenhang doch nur, wie Daum Homosexualität und Pädophilie gleichsetzt.

    Deine Forderung nach einer Quotenregelung ist völliger Schwachsinn! Was, wenn entgegen aller Wahrscheinlichkeitsrechnungen keiner der elf schwul ist? Und sollen Vereine sich in ihrer Transferpolitik künftig von der sexuellen Orientierung eines Spielers beeinflussen lassen? Denn Dein Vorschlag hieße ja, dass das Prädikat "homosexuell" zukünftig noch größeren Wert als etwa "beidfüßig" genießen würde.

    Und "warum soll nicht jeder junge Mann in seiner Jugend einmal eine homosexuelle Erfahrung machen, damit er sich danach um so besser frei entscheiden kann?"

    Weil manche einfach keinen Bock drauf haben.

  • B
    Blubb

    Solche "quotenregeln" sind genauso fehl am platz wie öffentliche diskriminierung. beim fussball sollte es nur um den sport und nicht um irgendwessen sexualität gehen. dass das aber mal endlich medial aufgegriffen wird, finde ich mehr als überfällig.

    ganz interessant ist doch mal eine betrachtung des wilden brüllenden mobs. ist bei den aufgepumpten menschen mit nassrasierten köpfen, die eventuell sogar ihren körper in gewaltätiger weise zelebrieren nicht auch eine satte portion männlicher homoerotik dabei?

    überhaupt bei diesem männlichkeitsding namens fussball und dem drumherum, wo weiblichkeit nicht unbedingt geschätzt wird?

  • Q
    Queerkopf

    Der DFB tut ja auch nichts, um Homosexualität unter Spielern zu fördern. Und warum? Weil die da oben homophob sind. Warum erlässt man nicht einfach eine Quotenregelung, dass ein Spieler jeder Mannschaft auf dem Feld immer offen schwul sein muss?

    Und diese Sprüche von diesem Daum: Was ist denn gegen Beziehungen zwischen Trainern und jungen Spielern im Jugendfußball zu sagen? Warum soll nicht jeder junge Mann in seiner Jugend einmal eine homosexuelle Erfahrung machen, damit er sich danach um so besser frei entscheiden kann? DFB und auch die Schulen sind aufgefordert, die Offenheit der Lebensentwürfe nicht nur zu tolerieren, sondern zu fördern!