piwik no script img

Djokovic gewinnt Australian OpenBotschafter mit Filzball

Serbien im Tennis-Fieber: Euphorisch feiern die Menschen den Sieg von Novak Djokovic. Die Sportler können das ramponierte Image des Landes verbessern.

Foto-Call mit Champagner: Novak Djokovic.

"Das serbische Tenniswunder", "Nur der Himmel über Djokovic", "Die serbischen Könige von Melbourne" - so glorifizierten serbische Zeitungen am Montag den beeindruckenden Erfolg der serbischen Spieler und Spielerinnen bei den Australien Open.

In der Herrenkonkurrenz holte Novak Djokovic den ersten Grand-Slam-Titel für Serbien. Doppel-Spezialist Nenad Zimonjic wiederholte den Triumph von 2004 und siegte im Mixed, diesmal mit der Chinesin Tiantian Sun. In der Damenkonkurrenz erreichte Jelena Jankovic das Semifinale, Ana Ivanovic das Finale. Der 23-jährige Janko Tipsarevic gab sich in der dritten Runde erst im Tiebreak des fünften Satzes gegen die Nummer eins, Roger Federer, geschlagen.

So erreichte der serbische Tennisboom einen neuen Höhenflug. Das kleine Serbien mit knapp zehn Millionen Einwohnern etablierte sich in Melbourne als Tennisweltmacht. Die Sportnation hat einen neuen Lieblingssport, die Jugendlichen neue Helden. Die Frage bleibt aber offen, wie diese serbische Generation der Zwanzigjährigen es in nur einem Jahr schaffte, die Tenniswelt zu erobern?

Serbien ist ein Land des Basketballs. Die Nationalmannschaft gewann alle Titel, die es zu gewinnen gibt. Höchste Trophäen errangen auch die Wasser- und Volleyballspieler. Fußball ist in Serbien ebenso populär. Im Fußball und Basketball, im Transfer der Spieler, liegt das große Geld. Die nationale Faszination für Tennis ist etwas ganz Neues. Bis in die frühen Morgenstunden hockten die Serben vor den Fernsehern. Ende der Achtzigerjahre erweckte im ehemaligen Jugoslawien die damalige Weltranglistenerste und in Novi Sad geborene Monica Seles erstmals das Interesse für Tennis. "Sie war mein Vorbild", sagte neulich Ana Ivanovic. Man erinnert sich auch an Slobodan Zivojinovic, der mit lässiger Art und rasanten Aufschlägen die Zuschauer unterhielt.

Djokovic, Ivanovic und Jankovic haben in einem von Kriegen und politischen Krisen erschütterten, international isolierten Land begonnen, Tennis zu spielen. Als Teenager erlebten sie, wie die Nato 1999 Serbien bombardierte. Die Tennis-Infrastruktur gehört zu den am wenigsten entwickelten in Europa, es mangelt an Tennisplätzen und Hallen. Der Staat und der serbische Tennisverband haben praktisch nichts zur Entwicklung der jungen Spieler beigetragen. Auch nach den jüngsten Erfolgen gibt es in Serbien keine Programme zur Förderung dieses Sports. Die serbischen Tennisstars haben es trotzdem in die Weltspitze geschafft. Die Eltern mussten größtenteils selbst Geld und Sponsoren für die teuren internationalen Tennis-Camps auftreiben.

Vielleicht liegt gerade in den schwierigen Anfangsschritten der Grund für die ansteckende Siegeslust, den Kampfgeist und die Disziplin der serbischen Tennisstars. Und gleichzeitig sind Ivanovic, Jankovic und Djokovic sympathisch, sie sprechen alle sehr gut Englisch, lachen oft auf dem Spielfeld und sind deshalb unter Kollegen beliebt. Djokovic ist eine geborener Showman, der gekonnt das Publikum amüsiert. Ivanovic ist eine Schönheitskönigin des Damentennis. Das trägt natürlich auch zu satten Sponsorenverträgen bei.

In Serbien, in dem unbedingt alles, und so auch der Sport, politisiert werden muss, hält man die Tennisspieler für Botschafter, die das ramponierte Ansehen des Landes in der Welt verbessern. "Ich wollte immer nur mit dem Tennisschläger kämpfen", sagte Djokovic, als er von der Zeit sprach, in der er keine internationale Sponsoren finden konnte, weil er aus Serbien kam, das für die Kriege auf dem Balkan verantwortlich gemacht worden ist. Diese Zeit ist endgültig vorbei. Mit unbefangenem Patriotismus vertreten die Tennisstars Serbien tatsächlich besser als alle serbischen Politiker zusammen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!