Diskussion um Uni-Kürzungen: Die Schmerzen der Dorothee S.
Wissenschaftssenatorin Stapelfeldt trifft auf Uni-Präsident Lenzen und nennt Kürzungspläne moderat. Frühere Uni-Präsidenten warnen vor Ausblutung.
Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) wagte sich am Mittwochabend in die Höhle des Löwen. Auf Einladung der Universitäts-Gesellschaft hielt sie einen Vortrag über "Hamburg als Stadt der Bildung und der Wissenschaft". Die Stimmung im Hörsaal des Uni-Hauptgebäudes war gereizt. "Der Titel ist wohl schon älter", sagte Uni-Präsident Dieter Lenzen trocken zur Begrüßung und erntete Lacher im Saal.
Seit bekannt ist, dass die Hochschulen sparen müssen, ist die Enttäuschung über die frühere Oppositionspolitikerin in Uni-Kreisen groß. "Darauf habe ich gewartet", raunte eine grauhaarige Professorin, als einige Minuten nach Beginn ein paar grölende Studierende den Saal betraten und "Bildung für alle" skandierten.
Sie habe das Thema des Vortrags formuliert, als ihr das Ausmaß des "Haushaltsdesasters" noch nicht klar war, begann die Senatorin und beschwor die Zuhörer: "Seien Sie versichert, dass die Hochschulen in mir eine Sachwalterin ihrer Interessen haben."
Anfang der 1970er Jahre wurde die Uni ausgebaut. In einer ersten Sparrunde 1975 fielen gut drei Prozent der Stellen weg.
Von 1970 bis 1991 gab es eine Verdoppelung der Studierenden bei gleichen Stellen - ermöglicht durch Lehraufträge und eine höhere Lehrverpflichtung.
Von 1995 bis 2003 musste die Uni 15 Prozent der Stellen und 20 Prozent der Sachmittel abbauen.
Seither wurden Lehrstühle gestrichen und zum Teil in wissenschaftliche Mitarbeiterstellen überführt. Die Studierendenzahl sank von 43.000 auf 37.000.
Zunächst sprach Stapelfeldt über unstrittigere Themen: So will sie die Hochschulen wieder demokratisieren, und die Begrenzung des Bachelor auf sechs Semester soll wegfallen. Doch schon bald ging es um Finanzen. Stapelfeldt warf Dieter Lenzen vor, in seinem uni-internen Rundschreiben Falsches behauptet zu haben. Zwar gebe es für ihr Ressort eine erhöhte "globale Minderausgabe" von 12,8 Millionen Euro. Die Hochschulen seien davon aber "nur im geringen Umfang betroffen" - anders als bei den noch von Schwarz-Grün festgelegten Kürzungen. Es tue ihr weh, dass sie diese nicht zurücknehmen könne. Dies führe aber nicht zu den von Lenzen beschriebenen Folgen. "Es gibt keine Notwendigkeit zur Schließung von Studiengängen." Die Uni verfüge über Reserven und bekomme zudem 60 Millionen Euro aus dem Bundes-Hochschulpakt.
Dieses Geld als Kompensation für wegfallende Landesmittel anzuführen sei "nahezu unseriös", konterte Uni-Kanzlerin Katrin Vernau in der anschließenden Debatte. Der Uni stünden diese Bundesmittel vertraglich für zusätzliche Studienanfänger zu, die seit 2007 aufgenommen wurden. Vernau will jetzt mit anderen Kanzlern und der Behörde "Zahlen abgleichen", bevor es zu weiteren Gesprächen zwischen Präsidenten und Senatorin kommt. Doch sie bleibt dabei: Es müsse auch in der Wissenschaft Streichungen geben, sollte es bei Stapelfeldts Ankündigungen bleiben.
Im Anschluss musste sich Stapelfeldt deftige Kritik anhören. "Was unterscheidet die SPD von der CDU?", wollte Student Olaf Walter wissen und warf der Partei vor, die Schuldenbremse zu akzeptieren und nichts für Mehreinnahmen zu tun. Studentin Golnar Sepehrnia duzte Stapelfeldt und fragte, "ob dir das Regieren wichtiger geworden ist als das Verbessern".
Am meisten Applaus erhielt der frühere Uni-Präsident Peter Fischer-Appelt, der die Geschichte von 40 Jahren Sparpolitik referierte. "Die Hamburger Uni ist von allen in Deutschland am meisten im Sparen geübt", sagte er. "Es hat seinen Grund, dass die Uni ächzt, da kann der Senat nicht so gedanken- und herzlos sein und tun, als ob er all diese Entwicklungen überhaupt nicht kennt." Die letzte Sparrunde von 1995 wurde über Jahre gestreckt und führt heute noch zum Verlust von Lehrstühlen.
Er komme, wenn er alles addiere auf "40 Prozent minus seit 1976" sagte Lenzen. Die Uni habe als Organisation ein "Burn-Out" erlebt. "Hamburg kann nicht so weitermachen und muss sich überlegen, was es in der Wissenschaft will." Um den Bundesschnitt zu erreichen, sei ein Etat von 300 Millionen Euro nötig.
Sein Vorvorgänger Jürgen Lüthje sagte, Wissenschaft müsse einen Stellenwert wie die Kultur erhalten. Es müsse "eine gemeinsame Diskussion entstehen".
"Dem stimme ich zu", sagte Stapelfeldt, worauf Lenzen entgegnete, er habe nichts gegen eine Diskussion. "Aber bitte mit einem Ziel."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren