Diskussion um Reform des Bundesrats: Schäubles Stimmprobleme
Der Innenminister hat genug: Weil das BKA-Gesetz im Bundesrat voraussichtlich scheitert, hat Schäuble eine Initiative zur Änderung der Abstimmungsregeln angekündigt.
BERLIN taz/dpa/ap Vor dem Hintergrund des Streits über das BKA-Gesetz hat Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Reform der Abstimmungsregeln im Bundesrat vorgeschlagen. In einem gemeinsam mit dem stellvertretenden SPD-Fraktionschef Fritz Rudolf Körper verfassten Brief an die Vorsitzenden der Föderalismuskommission plädierte er dafür, dass Gesetze künftig mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschlossen werden können. Die Opposition verurteilte die Idee umgehend.
Bislang kommt Zustimmung nur zustande, wenn die absolute Mehrheit mit Ja stimmt. Enthaltungen sind faktisch ein Nein. Schäuble verwies auf die zunehmende Zahl von Koalitionsregierungen in den Ländern. Gibt es dort keine Einigung, muss sich das Land nach den jeweiligen Koalitionsabsprachen im Bundesrat enthalten. Er wolle erreichen, "dass die Länder notfalls stärker gezwungen sind, sich mit der Frage zu beschäftigen", erklärte Schäuble den Hintergrund seines Vorhabens. Der Bundesrat würde durch eine solche Regelung entscheidungsfähiger.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ingo Wolf (FDP) wandte sich gegen die Änderung: "Wir dürfen das Grundgesetz nicht nach Belieben passend machen." Die Grünen forderten indirekt Schäubles Rücktritt. "Dieser Minister hat entweder die Demokratie nicht verstanden oder er will sie abschaffen", sagte Fraktionschefin Renate Künast. "In beiden Fällen ist er als Innenminister untragbar." Auch die FDP kritisierte den Vorstoß. "Man kann nicht einfach die Abstimmungsregeln ändern, wenn einem das aktuelle Meinungsbild nicht passt", sagte der Innenpolitiker Max Stadler.
Schäuble und Körper schlagen eine Änderung der Artikel 52 und 77 Grundgesetz vor: "Zu einem Beschluss des Bundesrats ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt", lautet der entscheidende Satz. "Die Gefahr der Blockaden durch Bundesratsmehrheiten gegenüber dem Bundestag würde verringert", begründen Schäuble und Körper ihren Vorstoß in dem Brief an die Vorsitzenden der Föderalismuskommission, der der taz vorliegt.
Der SPD-Politiker Körper wandte sich gegen den Eindruck, die Idee sei mit Blick auf den Streit über das BKA-Gesetz entstanden. "Das hat nichts mit der aktuellen Debatte zu tun", sagte Körper der taz. Der Vorschlag sei bereits am Rande der Föderalismusreform I diskutiert worden. Es sei sinnvoll, wenn sich die Länder künftig einem "Zwang zur Entscheidung" aussetzen müssten. "Wir wollen, dass sich die Länder künftig positionieren müssen", so Körper.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht