Kommentar Förderalismus auf dem Prüfstand: Total falscher Zeitpunkt

Es ist ein Systemfehler, wenn Enthaltungen im Bundesrat faktisch als Nein-Stimmen gezählt werden. Die "Blockademacht" einzelner, von einer Koalition regierten Bundesländer ist zu groß.

Wolfgang Schäuble wird immer mehr zum Loser. Was er anpackt, geht schief, denn alle misstrauen ihm inzwischen. Das hat er sich mit seiner Ausnahmezustands-Rhetorik selbst zuzuschreiben. Wenn er jetzt den Bundesrat schwächen will, um seine Vorhaben leichter durchzubekommen, wird auch dies scheitern. Es ist mehr als ungeschickt, eine so grundlegende Verfassungsänderung ausgerechnet in der Hitze des Gefechts um die BKA-Reform anzuschieben.

Schäuble schlägt vor, dass im Bundesrat die Enthaltung eines Landes künftig nicht mehr wie eine Nein-Stimme wirkt. Dazu müsste das Grundgesetz geändert werden. Offensichtlich reagiert der Innenminister damit auf die Schwierigkeiten, im Bundesrat eine Mehrheit für das BKA-Gesetz zu bekommen, das im Bundestag bereits beschlossen wurde. Natürlich werden nun die Kritiker des BKA-Gesetzes aus taktischen Gründen die vorgeschlagene Grundgesetzänderung ablehnen. Und für eine Grundgesetzänderung ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat erforderlich.

Im Prinzip geht Schäubles Vorschlag aber in die richtige Richtung. Wenn Enthaltungen faktisch wie Nein-Stimmen wirken, ist das ein Fehler im System. Und der gibt dem Bundesrat eine unnötig große Blockademacht. Leidtragend ist die jeweilige Mehrheit im Bundestag. Auch Rot-Grün litt unter diesem Phänomen. Warum aber soll die Bundespolitik blockiert sein, nur weil sich einige Koalitionen in den Ländern nicht einigen können? Die Rechte der Länder sind ausreichend gewahrt, wenn die echten Nein-Stimmen als Nein-Stimmen zählen.

Man mag es in Zeiten der großen Koalition sympathisch finden, dass Kleinparteien wie die FDP und die Grünen über den Bundesrat nun doch blockieren und deshalb auch ein bisschen mitbestimmen können. Doch der Föderalismus ist nicht dazu da, aus jeder Konstellation am Ende eine faktische Allparteienregierung zu machen.

Schäuble sollte seinen Vorschlag deshalb sofort zurückziehen und ihn erneut einbringen, wenn sich der Rauch um das BKA-Gesetz gelegt hat.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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