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Diskussion um FreihandelsabkommenEndspurt der Kritiker gegen TTIP

Das EU-Parlament entscheidet kommende Woche über eine Resolution zu TTIP. Gegner wollen die Abgeordneten sensibilisieren.

Letzte Versuche, die EU-Abgeordneten zu einem Votum kontra TTIP zu bewegen Foto: dpa

BERLIN taz | Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich anscheinend festgelegt. „Es wird keinen Vertragstext mit privaten Schiedsgerichten geben“, sagte er am Dienstag in Berlin. Genau das wünschen sich jedoch TTIP-Kritiker. Sie werfen Gabriel vor, dass er an dem Konzept der Schiedsgericht festhalte – und lediglich die Bezeichnung ändere.

Seit anderthalb Jahren verhandeln die Europäische Union und die USA über das Freihandelsabkommen. Kritiker fürchten, dass durch TTIP soziale und ökologische Standards ausgehöhlt werden. Für Unmut sorgt vor allem die geplante Einführung privater Schiedsgerichte, mit deren Hilfe Unternehmen von Staaten Schadenersatz in Milliardenhöhe verlangen können. Fünf Ausschüsse des EU-Parlaments haben sich gegen private Schiedsverfahren bei TTIP gewandt. Dagegen hatte sich erst in der vergangenen Woche der Handelsausschuss des Parlaments für Schiedsverfahren ausgesprochen.

Anders als ursprünglich vorgesehen, sollen sie nun eine Berufungsinstanz haben und nicht mehr mit privaten Anwälten, sondern mit Richtern besetzt werden. Nach der Interpretation von Sozialdemokraten handelt es sich deshalb nicht mehr um private Schiedsgerichte. „Die Investorenschutz-Gerichte sind tot“, so Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament.

Das sehen TTIP-Kritiker wie der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) anders. „Das sind rein kosmetische Änderungen“, sagte Maja Volland vom BUND. Das Hauptproblem – eine Paralleljustiz neben dem nationalen Recht – bestehe allerdings weiterhin.

Widerstand gegen private Schiedsgerichte

Wie ernst es die Sozialdemokarten meinen, wird die Abstimmung des EU-Parlaments über TTIP in der kommenden Woche zeigen. Dass eine Mehrheit der Parlamentarier TTIP tatsächlich ablehnt, erwartet keiner. Aber die Kritiker hoffen, wenigstens „rote Linien“ in die zur Abstimmung stehende Resolution einziehen zu können. Naturschutzverbände und Organisationen wollen bis zur Abstimmung in der kommenden Woche Abgeordnete dazu bewegen, wenigstens gegen die privaten Schiedsgerichte zu stimmen.

„Das würde die EU-Kommission schwächen und unter Druck setzen“, sagte Ernst-Christoph Stolper vom BUND. Der ehemalige grüne Wirtschaftsstaatssekretär in Rheinland-Pfalz ist Teil einer internationalen Delegation von TTIP-Gegnern, die Anfang kommender Woche in Straßburg mit unentschiedenen Parlamentariern sprechen und Aktionen vorbereitet wird. Die Abgeordneten werden vor dem Parlament unter anderem mit einer großen Hundepuppe begrüßt. „Wir wollen zeigen, dass TTIP an die Kette gelegt werden muss“, sagte Alessa Hartmann von der Organisation Powershift. Viele Abgeordnete hätten versprochen, nicht für die Resolution mit Schiedsgerichten zu stimmen.

Der BUND will auch Bürger dazu bewegen, ihre Europaabgeordneten anzuschreiben. Aus Deutschland haben bislang 21 Abgeordnete erklärt, dass sie gegen die TTIP-Resolution stimmen werden. Neben Abgeordneten der Linkspartei und der Grünen sind das auch ein Sozialdemokrat, eine Abgeordnete der Piraten und der freien Wähler sowie der ÖDP.

Einer der entschiedensten Befürworter des Freihandelsabkommen, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), hat unterdessen die offizielle Lobbyarbeit eingestellt. Im Mai hat er einen letzten Brief an die Abgeordneten geschickt, die Entscheidung des Handelsausschusses lobt er: „Das ist eine gute Grundlage dafür, die Verhandlungen nun zielorientiert weiterzuführen“, teilte der BDI mit, der für mehr als 100.000 Unternehmen spricht.

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2 Kommentare

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  • Wir müssen uns immer wieder klarmachen: TTIP ist nicht irgendein Abkommen. Es ist für die Kapitalisten eines der wichtigsten überhaupt, und es richtet sich massiv gegen uns, die Gesellschaft. Warum ich mir dabei so sicher bin? - Weil es bis heute strengstens geheim gehalten wird und es selbst den wenigen kritischen Journalisten, die es noch gibt, kaum gelungen ist, mal eine der verhandelnden Personen ausfindig zu machen - sie werden extrem abgeschirmt. Allein diese Geheimhaltung spricht dafür, daß es sich um ein menschen-, gesellschafts- und umweltfeindliches Abkommen handelt. Die TAZ hätte seit Beginn der Verhandlungen das Thema auf der Titelseite stets präsent halten sollen! - Nochmal: Welche Legitimation haben in einer Demokratie Geheimabkommen? Gar keine ... Theorie und Praxis der westlichen Demokratien klaffen immer stärker auseinander. Das war im real existierenden Sozialismus übrigens genauso. Bis zur Strafe seines Untergangs.

  • Das Endziel unserer selbst ernannten Eliten ist das die Gesetze nur noch für den Mob gelten.

     

    Die Politiker haben sich mit ihrem exklusiven Parteiengesetz gegen das BGB immunisiert und werden nur in bestimmten Fällen, Korruption gehört auf keinen Fall dazu, de-immunisiert. Die Geheimdienste kümmern sich einen Dreck um Recht und Ordnung. Lügen, Vertuschung, Sachbeschädigung, Mord und Totschlag gehören halt zum Geschäft.

     

    Das weckt natürlich die Begierde der Konzerne und so haben die sich gedacht warum sollen sich internationale Konzerne nach nationalem Recht richten. Da man die Notwendigkeit eines Regelwerkes erkannt hat will man nun eine private Vereinbarung treffen die als globales Recht über nationalem Recht steht.

     

    Es geht um Privatisierung das hört sich besser an als Kommerzialisierung und bedeutet ganz einfach dass alles Kohle bringen muss. Als Kohl in Deutschland damit angefangen hat habe ich noch aus Spaß gesagt: "Und dann wird auch die Polizei privatisiert und wer geschützt werden will muss Schutzgeld bezahlen." Jetzt sind, zum Beispiel, Privatgefängnisse in den USA eine Selbstverständlichkeit. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Mit den Folgen von Kriminalität (Elend) Geschäfte machen.

     

    Wollt ihr die totale Kommerzialisierung?

     

    Gewinnen werden die großen Konzerne im Verbund mit den Superreichen und ihre Hofschranzen. Allein durch ihre Geldmacht. Sie können alle kleinen mittels Dumping-Preisen aus dem Geschäft werfen.