piwik no script img

Diskussion um Betreuungsgeld wird schärferMit voller Kraft in die Kita?

Unverhofft hat Hannelore Kraft eine Debatte über eine „Kita-Pflicht“ ausgelöst. Unionspolitiker empören sich über ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat.

Das Kita-Leben macht nicht immer Spaß. Bild: dpa

BERLIN taz | Jetzt hat sich auch noch Cem Özdemir eingemischt. Der Grünen-Vorsitzende appellierte, man solle die Frage, ob es in Deutschland eine Kita-Pflicht geben sollte, bitte „sachlich diskutieren“. Er befand aber auch, dass für eine solche Diskussion noch nicht der „richtige Zeitpunkt“ gekommen sei.

Über das Betreuungsgeld, das die Bundesregierung ab August 2013 all jenen Eltern auszahlen möchte, die ihre Kinder zu Hause erziehen, wird seit Monaten eine erhitzte Debatte geführt. Dabei geht es auch um die Frage, ob Eltern ihre kleinen Kinder nicht besser in eine Kita bringen sollten. Für neue Aufregung hat da jetzt unverhofft Hannelore Kraft gesorgt. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen und SPD-Spitzenkandidatin für die Wahl am 13. Mai, in Sachen Kitas müsse man „sicherstellen, dass alle Kinder da sind, statt eine Prämie für Kinder zu zahlen, damit sie fernbleiben“. Damit löste sie einen Sturm der Empörung aus.

Sinngemäß wollte Kraft zwar nur sagen, dass beim Kita-Ausbau jetzt alle ranklotzen müssten – denn ab dem kommenden Jahr soll es nicht nur die umstrittene „Herdprämie“ geben, sondern auch einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für alle unter Dreijährigen. Bislang fehlen dafür bundesweit aber noch mehr als 200.000 Plätze. Doch für die konservativen Flügel der Union, die wegen des Betreuungsgelds auch in der eigenen Partei in der Defensive sind, boten Krafts Sätze eine willkommene Steilvorlage, um sich auf die SPD-Politikerin zu stürzen.

„Ziemlich verqueres Menschenbild“

Philipp Mißfelder, Chef der Jungen Union, und für Dorothee Bär (CSU), familienpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, sahen in dem Kraft-Zitat eine „sozialistische Befehlsmentalität“ mitschwingen. Auch Familienministerin Kristina Schröder (CDU) attestierte Kraft ein „ziemlich verqueres Menschenbild“. Von „Zwangskita“ war da plötzlich die Rede, von „Einheitsfamilien“ und gar von einem „Anschlag auf die Freiheit“.

Kraft dementierte so heftig, wie es nur ging, sie sei keineswegs für eine Kita-Pflicht, doch zu spät: Selbst im Wahlkampf-Fernsehduell am Montagabend zwischen Kraft und Norbert Röttgen, CDU-Spitzenkandidat für die NRW-Wahl und Bundesumweltminister, quälten sich beide Kandidaten eine Viertelstunde lang mit dem Thema herum.

Doch die Debatte geht indes munter weiter: Familienministerin Kristina Schröder hat jetzt all jenen Ländern zusätzliche Bundeshilfen angeboten, die es bis 2013 nicht schaffen, ausreichend Kita-Plätze zu bauen. Und die Grünen frischten eine alte Idee neu auf: Um den ErzieherInnenmangel zu beheben, könnten doch mehr Arbeitslose zu ErzieherInnen umgeschult werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • K
    Ökofuzzi

    "Sofern ich allerdings für die Erfüllung dieser Aufgabe Hilfe staatlicher und privater Einrichtungen oder Personen, wie z. B. Kindertagesstätten oder Tagesmütter, in Anspruch nehme, ist es wohl selbstverständlich, dass diese auch dafür bezahlt werden. "

     

    @ Conny

     

    Genau! Wer also Hilfe für die Erziehung seiner Kinder in Anspruch nimmt, soll auch nicht subventioniert werden und Krippe und Tagesmutter aus eigener Tasche zahlen, außer es liegt ein Härtefall vor ( Alleinerziehende mit Burn Out oder ähnliches)

     

    sie haben recht, der Bund ist schon pleite genug um noch mehr Milliarden in den Krippenausbau zu stecken, der meist an den Bedürfnissen der Kleinkinder vorbei geht, dafür aber eine den elitären Ansprüchen an Selbstverwirklichung im Beruf der herrschenden Klasse ( egal ob Mann oder Frau) dient.

     

    Warum zahlt der Staat über 1000 Euro im Monat für einen Krippenplatz?

    Es gibt genug Eltern, die beide irgendwie arbeiten und ihr Kind irgendwie nebenbei betreuen um ihm ein Krippentrauma zu ersparen. Diese Eltern sollten unterstützt werden.

    In dem man ihnen diese 1000 Euro auszahlt.

    Aber wer würde dann noch die ganzen Drecksarbeiten für die Supermuttis erledigen, die sich mithilfe von subventionierten Krippenplätzen so toll emanzipieren?

    Wenn Frauen ab sofort die Möglichkeit hätten bis zum 3. Lebensjahr keine Niedriglohnjobs annehmen zu müssen?

     

    Und die Grünen sind so verzweifelt, dass sie Kleinstkinder lieber irgendwem aussetzen, als sie bei den eigenen Eltern zu lassen. Alles ist recht aus einer verqueren Logik heraus, die aus Versatzstücken besteht, die aus einem radikalen Feminismus und radikaler Gesellschaftkritik noch übrig geblieben ist

     

    Die Grünen sollten lieber mal ein bisschen Ökopolitik betreiben. Da sie bislang auf dem Gebiet immer versagt haben, wenn sie mal an die Regierung kamen und lieber den Sozialstaat demontiert haben und Krieg gespielt haben, müssen sie jetzt halt bei irgendeinem Thema punkten, auch wenn sie wenig produktives beizutragen haben.

     

    Nur leider hat kaum jemand Lust auf diese grünen Wendehälse und ihr ewiges Geschreie nach dem Krippenausbau der angeblich alles besser macht.

     

    Das einzige was der Krippenausbau bringt,ist noch mehr Verkehr auf Deutschlands Straßen.

    Denn zwei Arbeitsstellen bedeuten meist auch 2 verschiedenen Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden müssen. Klar, dass das dann die "Sachzwänge" verstärkt, weshalb die meisten Mittelstandseltern angeben unbedingt wieder so schnell wie möglich arbeiten zu müssen.

     

    Arme Umwelt, arme Kinder.

    Aber hauptsache in den Büros ist was los!

  • JK
    Juergen K.

    Nach jahrelagem Talk-Show -

     

    "Wir vergreisen, kratzen ab und sterben aus"

     

    lassen sich Kraft und Roettgen mit Kindern fotografieren.

     

    Die Bundesregierung kreiert ein Pseudothema um

     

    "unsere" wenigen Primaten - kinder

     

    währenddessen Millionen in den Altenheimen

     

    dahinvegetieren,

    fleischwundliegen,

    sich Artzbesuche aus Aermut vom Mund absparen

     

    und neuerdings vom Gesundheitsminister FDPB - ahr

     

    das Operationsverbot verordnet bekomen

     

    und sich von der Leyer in die Hose pisst

     

    "Die sind so arm!"

     

     

    Was füe4r eine Volksverblödung.

     

     

     

     

     

     

    Ihren Kommentar hier eingeben

  • C
    Claudia

    Boah ey. Sind die alle peinlilch. Kaum mehr zu ertragen. Die közzen sich wie die Blagen. Wenn die alle ihre Kinder selbst erziehen, dann gute Nacht Deutschland! Was mir absolut unverständlich erscheint: wer arbeiten geht - aus welchen Gründen auch immer - bleibt wegen 150,00 € nicht zu Hause und jene, die sowieso zu Hause bleiben, sollen sich wohl die Hände reiben. Welchen Sinn macht das denn??? Zum Schreien ungerecht ist das!!! Sollte man da nicht besser überlegen, dass die, die zu Hause sind ihr U3 Kind nicht in die Kita geben dürfen? Aber für 150,00 € geht man sicher dann auch mal zur Wahlurne.

  • T
    Tom

    „sicherstellen, dass alle Kinder da sind, statt eine Prämie für Kinder zu zahlen, damit sie fernbleiben“.

    ...Sinngemäß wollte Kraft zwar nur sagen, dass beim Kita-Ausbau jetzt alle ranklotzen müssten...

     

    Wie, die Kinder müssen beim Ausbau ranklotzen? Oder wie anders leiten Sie Ihre Interpretation ab?

     

    Dass die Befürchtungen von konservativer/freiheitlicher Seite nicht vollkommen aus der Luft gegriffen sind, zeigt auch Özdemir, der das Thema immerhin "sachlich" diskutieren will -- wohl kaum, weil er nichts am status quo ändern will.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Die TAZ zitiert Krafts Aussage höchst selektiv. Einen Satz davor lässt sie nämlich aus: "Bisher waren wir uns mit der CDU einig, dass Bildung schon in der Kita beginnen muss. Dann müssen wir aber auch sicherstellen, dass alle Kinder da sind, statt eine Prämie für Kinder zu zahlen, damit sie fernbleiben."

    Sie spricht explizit von "muss". Die Interpretation einer Kitapflicht ist deshalb nicht abwegig, sondern das, was sich am ehesten aufdrängt. Wahrscheinlich war es auch das, was gemeint war, und sie hat nur dementiert, weil der (unerwartete) Widerstand sie dazu zwang.

  • P
    PeterWolf

    Ich vermisse in den allermeisten Artikeln zur Herdprämie, dass sich diese nur auf unter Dreijährige bezieht, keineswegs aber gegen den äußerst sinnvollen und von fast allen wahrgenommenen Kindergartenbesuch zwischen drei Jahren und der Grundschule.

    Was für ein vollkommen sachfremd aufgeblasener Konflikt!

  • N
    Nachtigall....

    Oh, wat Wunder, da hat sich wer verplappert!

    aber egal, progressiv gegensteuern, dann passt das!

    Genial also, eine Umschulung ins Spiel zu bringen. Grande!

    Die ohnehin verbesserungswürdige Ausbildung ad absurdum führen durch künstliches personellles Aufpumpen der KITAS mit Flacheimern, Psychos und Alkis (machen leider einen nicht unerheblichen Teil der Reisenden im Umschulungskarussell aus) - hauptsache der Betreuungsschlüssel stimmt!

    Was für ein Wahn, was für eine verlogene Programatik die sich null an den Bedürfnissen des Kindes und der Kinder orientiert sondern einzig und allein am ermöglichen der Verstaatlichen der Früherziehung!

    Wehret den Anfängen... oder eben Nachtigall, ick hör dir trapsen!

    Pro Betreuungsgeld - als Alternative, als deutliches Zeichen für Wahlfreiheit und Unterstützung familiärer Souveränität.

    Meine Kinder gehen übrigens in eine Kita ;)

  • DQ
    Der Querulant

    @ [Name Gelöscht]

     

    "Ich kann keinen Grund erkennen, der es rechtfertigt, Eltern für ihre ganz natürliche Aufgabe, ihr Kind zu betreuen und zu erziehen, finanziell zu entlohnen."

     

    Ganz genau. ;-)

     

    Deshalb sollten auch die Steuerklassen, das Ehegattensplitting, das Elterngeld, das Kindergeld etc. pp. abgeschafft werden. Schließlich sind diese sogenannten Sozialleistungen nichts als Lohnersatzleistungen, die der Gewinnmaximierung der Wirtschaft dienen.

     

    Na, wie sieht's aus?

  • NG
    [Name Gelöscht]

    Ich gehe mal davon aus, dass tatsächlich nur eine unglückliche Formulierung zu diesem Mißverständnis geführt hat.

     

    Sollte dem allerdings nicht so sein, kann ich immer wieder nur Artikel 6 des Grundgesetzes zitieren:

     

    "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht."

     

    Und aus genau diesem Grunde kann ich auch einem Betreuungsgeld nichts abgewinnen. Ich kann keinen Grund erkennen, der es rechtfertigt, Eltern für ihre ganz natürliche Aufgabe, ihr Kind zu betreuen und zu erziehen, finanziell zu entlohnen. Sofern ich allerdings für die Erfüllung dieser Aufgabe Hilfe staatlicher und privater Einrichtungen oder Personen, wie z. B. Kindertagesstätten oder Tagesmütter, in Anspruch nehme, ist es wohl selbstverständlich, dass diese auch dafür bezahlt werden.

     

    Unabhängig davon muss ich mich bei der ganzen Diskussion um das Betreuungsgeld immer wieder fragen, ob der Bund noch nicht pleite genug ist.