Diskussion um Bahnprivatisierung: Ein neues Modell für die Bahn
Trotz SPD-Parteitagsbeschlusses ist der Verkauf der Bahn nicht vom Tisch. Diskutiert wird jetzt die Aufteilung des Unternehmens in zwei, zum Teil privatisierte Holdings.
Beim Thema Bahnprivatisierung deutet sich eine überraschende Wendung an. Am Montag wollen die Spitzen von SPD und CDU nach einem Weg suchen, auf dem die Deutsche Bahn AG private Miteigentümer findet und gleichzeitig der SPD-Parteitagsbeschluss berücksichtigt werden kann. Eine schier unmögliche Aufgabe, denn die CDU lehnt das Volksaktienmodell der Genossen strikt ab. Als Lösung haben sich Spitzenpolitiker der Koalition und Bahnchef Hartmut Mehdorn nun aber offenbar auf ein Modell geeinigt, das mit der sogenannten Volksaktie und ihren Zielen nichts mehr zu tun hat.
Dabei schien der Beschluss des SPD-Parteitages in Hamburg eindeutig zu sein. Wenn Bahnaktien verkauft werden sollen, dann nur als stimmrechtlose Vorzugsaktien. Die bringen zwar eine höhere Dividende, geben den Besitzern aber kein Mitspracherecht. Das würde, so das Kalkül der Privatisierungsgegner, zumindest die Finanzinvestoren draußen halten, die über ihre Beteiligung oft Druck auf Vorstand und Aufsichtsrat ausüben.
Allen war klar, dass die CDU bei diesem Modell nicht mitmachen würde. Erst am Freitag bestätigte sich diese Annahme. Voraussetzung für eine Einigung bei diesem Thema sei, dass der SPD-Parteitagsbeschluss für ein Volksaktienmodell mit Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien nicht umgesetzt werde, sagte der CDU-Verkehrsexperte Klaus Lippold. Das Netz solle zudem in der Hand des Staates bleiben, nur Betrieb und Logistik sollten zum Unternehmen Bahn gehören. Das hatte allerdings der SPD-Parteitag als "Zerschlagung" abgelehnt - und ist damit der Bahngewerkschaft Transnet und Bahnchef Hartmut Mehdorn entgegengekommen.
Ausgerechnet aus dem SPD-geführten Finanzministerium kommt aber nun der Vorschlag, die Deutsche Bahn in zwei Holdings aufzuteilen. Nach übereinstimmenden Medienberichten soll in der Holding 1 die gesamte Infrastruktur zusammengefasst werden, also Schienen, Bahnhöfe und Energie. Diese sogenannte Staatsholding bleibe zu hundert Prozent im Besitz des Bundes. Private Investoren hätten keinen Zugriff auf das Netz - wie von der SPD gefordert.
Unter die Holding 2 (Privatholding) würden Regional-, Fern- und Güterverkehr fallen. Diese Holding solle teilprivatisiert werden, aber nicht mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien.
Die Privatisierungsgegner reagierten am Freitag zurückhaltend. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer, einer der Erfinder des Volksaktienmodells, will den Vorschlag nicht bewerten, solange er nicht schriftlich vorliegt. Transnet erklärte, wenn das Modell die Trennung von Netz und Betrieb einleite, müsse es abgelehnt werden. Die entscheidende Frage ist also, ob die Holding 2 von der Holding 1 kontrolliert wird oder ob sie gleichberechtigt nebeneinanderstehen.
FDP und Grüne begrüßten am Freitag grundsätzlich, dass die von ihnen angestrebte Trennung von Netz und Betrieb nun offenbar ernsthaft geprüft wird. Bisher hätten sich allerdings Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), Bahnchef Hartmut Mehdorn und Transnet-Vorsitzender Norbert Hansen vehement gegen eine solche Lösung gewehrt, erklärte der FDP-Verkehrspolitiker Horst Friedrich. "Ich frage mich, warum wir jahrelange Diskussionen brauchten, wenn jetzt plötzlich ein getrenntes Modell mehrheitsfähig ist."
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, sprach sich für ein Moratorium bei der Bahnprivatisierung aus. Zwar sei das jetzt diskutierte Modell besser als das bereits geschriebene Gesetz. Doch die Regierung sollte nun nicht "mit heißer Nadel" ein neues Gesetz stricken.
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