piwik no script img

Diskussion um ArmutsberichtUm Verteilung geht es nicht

Der Armutsbericht appelliere nur an die Freigiebigkeit der Reichen, sagt Ministerin von der Leyen. Um höhere Steuern gehe es nicht.

Keine Steuererhöhung: Reiche sollen freiwillig abgeben – wie hier bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Bild: dpa

BERLIN epd/taz | Das Bundessozialministerium hat Vorwürfe, mit dem Armuts- und Reichtumsbericht eine Argumentation für höhere Steuern für Reiche zu liefern, zurückgewiesen. Es gebe in dem noch unveröffentlichten Bericht „keinerlei Hinweise auf neue Umverteilungen über das Steuersystem“, erklärte das Ministerium von Ursula von der Leyen (CDU) am Donnerstag in Berlin.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will nach einem Bericht des Handelsblatts (Donnerstagsausgabe) dem Bericht nicht zustimmen, weil er nach seiner Auffassung mit dem Hinweis auf ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung Steuererhöhungen für Reiche rechtfertigen könnte.

Laut Bild-Zeitung wird in dem Bericht vorgeschlagen, zu prüfen, wie über die Einkommenssteuer hinaus „privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann“. Dabei gehe es darum, wie persönliches finanzielles Engagement für das Gemeinwohl gewonnen und eingeworben werden könne, erklärte das Ministerium.

Es gehe nicht um Zwangsmaßnahmen. Die Aussage in einen anderen Zusammenhang zu stellen, sei „absolut konstruiert“, hieß es. Im Bericht gehe es allein um das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung und des Engagements im Rahmen von freiwilligen Spenden- und Stiftertätigkeiten.

Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der am Montag zur Abstimmung an die Ministerien geschickt worden war, stellt eine auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich fest. Nach bekanntgewordenen Zahlen verfügen zehn Prozent der Deutschen über 53 Prozent des gesamten Privatvermögens. Dagegen kommen 50 Prozent der Bürger nur auf einen Anteil von einem Prozent am Vermögen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • WB
    Wolfgang Banse

    Nicht reden über Armut,sondern diese beheben,Dies ist angesdagt in einem der reichsten Länder der Welt.

  • H
    Harro

    Bei den vedrehten Steuergesetzen haben die Reichen eben alle Trümpfe schon in der Hand. Die meisten Normalverdiener können in normalen Städten im Westen heute keine Immobilie mehr kaufen. Wenn sie es dennoch tun, dann haben sie Probleme eine faire Finanzierung auf die Beine zu stellen, viele enden beim Traum vom eigenen Haus in einer massiven Verschuldung und zahlen überteurete Darlehen an Banken ab. Deswegen lässt es eine immer breite Schicht auch sein.

    Damit können sie aber zahlreiche Steuervorteile für sich nicht nutzen. Das gleiche gilt für Firmenfahrzeuge und andere extras, die sich viele FDP- und CDU-Wähler selber gönnen können, weil sie eben Unternehmer sind. Beim Normalverdiener schlägt deshalb die Steuer erbarmungslos zu. Und das bedeutet, dass der Staat den Verlust höhrere Besteuerungen durch Schulden ausgleicht, gleichzeitig aber eine Schuldenbremse installieren will, die aber volkswirtschaftlich ein Nummer Ein-Risiko ist, weil sie eben die Nachfrage massiv schwächt.

     

    Bleibt im Prinzip nur Umfairteilen, also zu alten Steuergesetzen zurück kehren. Mit den Gesetzen von 1982 hätten wir nach heutigem Stand keine Probleme. Und 1982 gab es jede Menge wohlhabende Leute in Deutschland, es war keinesfalls so, dass die Unternehmer oder Erben damals arm waren. Sie mussten nur mehr mittragen - das ist alles.

  • O
    Oli

    Es ist eine absurde Situation, wenn eine Ministerin, die schon herzlos und verdreht Sozialpolitik betreibt, auf eine andere Gruppe, die nochmals planloser und willenloser ist, trifft. Aber es führt in Deutschland kein Weg mehr an gerechten Steuern, gerechten Ausgleichssystemen vorbei!

     

    Inzwischen ist die Steuerbelastung proportional in der unteren Mittelschicht am Höchsten. Selbst Hartz-IV-Empfänger tragen mit der indirekten Mehrwertsteuer und ihrem fast 100-prozentigen Konsum eher zum Steueraufkommen bei als Unternehmer, Chefärzte oder Manager.

     

    Es ist eben so, dass Kar-Heinz der Stahlkocher mehr Steuern abführt, als Dr. Schmidt im Vorstand des XYZ-Unternehmens. Und das ist nicht gerecht, widerspricht im Prinzip sogar der Grundlinie der FDP, von wegen Leistung müsse sich lohnen. Aber bei der FDP geht es eben um diese 10 Prozent, den schon 56 Prozent des Bruttovermögens Deutschland gehört. Damit daraus irgendwann 60 oder 65 Prozent werden, haben wir eine Regierung unter Beteiligung der FDP. Als die Regierung gebildet wurde, ging ein lautes Stöhnen durch die CDU; das ist selbst für diese bürgerlichen Geisterfahrer eine Stufe zu hart. Es ist eben Politik ohne Gegenwert oder Politik ohne Bodenhaftung.

     

    Der FDP ist es aber egal, wenn 2020 Rentner verhungern, sich Medikamente nicht mehr kaufen können oder in miesen Jobs solange arbeiten, bis sie umkippen. In den USA ist die Situation vieler Rentner schon so, hier soll es so werden.

     

    Dass die SPD tatsächlich einen Armut- und Reichtumsbereicht jemals ins Leben rief, ärgert jetzt alle Parteien, außer die Piraten und Linken. Wahrscheinlich werkeln sie im Ministerium schon an neuen EU-Armutsrichtlinien oder Ideen, wie man diesen Bericht wieder killen bzw. entschärfen kann. Einen Vorgeschmack hat ja Ursula von der Leyen höchstpersönlich abgegeben, als sie behauptet hat, dass Sachleistungen besser als Auszahlungen wären. Nun: Ihr Sachleistungsangebot an Kinder und Jugendliche ist geflopt. Vielfach warten aber selbst die Antragssteller lange auf Entscheidungen oder müssen ständig neue Dokumente bringen. Und manche Musik oder Nachhilfe wurde auch nicht genehmigt. Das ist die Realität dieser Sachleistung und das ist mit Sicherheit keine Politik gegen, sondern f ü r Ausgrenzung.

  • N
    Nordwind

    Es ist geradzu obszön wie diese reaktionären Politclowns ihre Klientel schützen.

     

    Dabei sieht es wohl so aus als würde schon die Darstellung des Reichtums manipuliert. Hierzu eine Studie:

     

    http://www.kiwifo.de/Darstellungen_der_Vermoegensverteilung.pdf

  • W
    Wolfgang

    Nochmals, wie so oft, zum Quandt-Beispiel

     

    Nur der BMW-Weltkonzern zahlte an die Erschaftsmilliardäre der Familie Quandt für 2010 rund 365 Millionen Euro Dividende, fürs Jahr 2011 rund 647 Millionen Euro. Für 2010 und 2011 mehr als 1 Milliarde Euro auf privates Aktienvermögen. Auch deren Steueraufkommen ist ein Ergebnis der realen Wert- und Mehrwertschöpfung aller differenziert lohnabhängigen technisch-wissenschaftlichen Mitarbeiter des Konzerns etc.

     

    Diese Vermögen werden in der bürgerlichen Gesellschaftsordnung juristisch-staatlich geschützt, mit allen Mitteln des Gewaltapparates. Diese Vermögen haben ihre Grundlage in Raub und Ausbeutung (Ausbeutung des Menschen durch den Menschen). Für eine "Reform" in der bürgerlichen Gesellschaft wäre eine maximale Steuer dieser leistungslosen Privatvermögen überfällig.

     

    Notwendige wäre, auch, aber nicht nur für das private Quandt-Vermögen, die entschädigungslose Enteignung (der Enteigner) und gesamtgesellschaftliche Kontrolle der gesellschaftlichen Produktionsmittel in Deutschland und Europa (West wie Ost, Nord wie Süd) = "Gemeineigentum an den gesellschaftlichen Produktionsmitteln": Die Früchte der Wertschöpfung der werktätigen technisch-wissenschaftlichen und sozialen Bevölkerungsmehrheit zum Wohl der Gesamtbevölkerung! - dies ist im Kapitalismus bzw. in der "sozialen Marktwirtschaft" (der Bourgeoisie und Aktionäre) nicht möglich.

     

    Trotz alledem!

  • WR
    Weiße Rose

    Solange reiche Leute den Armen vom großen Fressen ein paar Krümel übriglassen, den Alkohol für alle erschwinglich halten und für freie Fahrt für den freien Bürger auf deutschen Strassen sorgen, haben sie auch weiterhin nichts zu befürchten!

    Sagte nicht Lenin bereits:"Bevor der Deutsche eine Revolution macht, löst er erst eine Bahnsteigkarte"?