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Diskussion um ArbeitnehmerfreizügigkeitSteinmeier attackiert die CSU

Erster Streit in der großen Koalition: In der Debatte über die „Armutszuwanderung“ erntet die CSU Kritik. Die Linke spricht sogar von „Quartalsrassismus".

Europäische Integration: Der neue Außenminister Frank-Walter Steinmeier distanziert sich vom Koalitionspartner CSU. Bild: dpa

MÜNCHEN afp | In der Debatte über die sogenannte Armutszuwanderung hat sich der Ton in der Koalition verschärft. Aus der SPD kam am Donnerstag deutliche Kritik an der CSU: Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), warf der Unionspartei in der Süddeutschen Zeitung vor, mit „dummen Parolen“ Stimmung zu machen. CSU-Chef Horst Seehofer verteidigte den Kurs seiner Partei.

„Die CSU hat Europa nicht verstanden“, sagte Roth. „Und offenkundig will sie es auch nicht“. Das habe sich bereits in den Koalitionsverhandlungen gezeigt. Deutschland profitiere als Exportnation von offenen Märkten und Freizügigkeit. „Noch nicht einmal die Faktenlage beherrscht die CSU“, sagte Roth. Wenn es „echte Probleme“ gebe, stehe die SPD aber „bereit, konkret zu helfen“.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte der Süddeutschen Zeitung, wer die Arbeitnehmer-Freizügigkeit infrage stelle, „schadet Europa und schadet Deutschland“. Diese sei ein „unverzichtbarer Teil der europäischen Integration“, von der Deutschland „ungemein und sicher viel mehr als andere profitiert“ habe.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, warf der CSU „Quartalsrassismus“ vor, der den NPD-Verbotsantrag „torpediert“.

Die CSU versucht sich zu rechtfertigen

Seehofer wies in der Bild-Zeitung (Donnerstagsausgabe) den Vorwurf als „absurd“ zurück, die CSU fische am rechten Rand. Zugleich betonte er, dass Maßnahmen gegen EU-Bürger, die zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch nähmen, Bestandteil des Koalitionsvertrags seien.

Nach Ansicht des Vorsitzenden der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, sind die von seiner Partei geforderten Maßnahmen gegen Armutszuwanderung voll durch das EU-Recht gedeckt. „Jeder EU-Bürger darf sich 90 Tage lang in einem anderen EU-Land aufhalten, um sich eine Arbeitsstelle zu suchen.

In dieser Zeit hat er keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Und er muss in sein Land zurückkehren, wenn er keinen Job findet“, sagte der designierte CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl der Augsburger Allgemeinen (Donnerstagsausgabe). Dass die CSU für ihre Forderung nach Einhaltung von EU-Recht „in die rechte Ecke gestellt“ werde, sei unverständlich.

Der CDU-Vize und Chef der nordrhein-westfälischen CDU, Armin Laschet, stellte ebenfalls klar: „Nur wer einen Arbeitsplatz hat, kann nach Deutschland kommen.“ Eine Einwanderung in die Sozialsysteme sei europarechtlich ausgeschlossen. Zugleich sagte Laschet der Passauer Neuen Presse" (Donnerstagsausgabe), dass die Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien „ein Gewinn für unsere älter werdende Gesellschaft sein“ werde.

Kritik auch aus der Wirtschaft

Auch Wirtschaftsvertreter kritisierten die CSU-Pläne. „Die Unternehmen haben in vielen Bereichen weiterhin Schwierigkeiten qualifiziertes Personal zu finden – da sind Zuwanderer sehr willkommen“, sagte der Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, der Rheinischen Post (Donnerstagsausgabe). Das gelte nicht nur für Akademiker und hoch qualifizierte Fachkräfte, sondern zunehmend auch für normale berufliche Qualifikationen.

Anlass der Debatte ist, dass seit Mittwoch die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Bürger der EU-Staaten Rumänien und Bulgarien gilt, für die es bislang übergangsweise Beschränkungen gab. Diese haben somit vollen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.

Die CSU fordert vor diesem Hintergrund schärfere Regeln gegen den „Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung“, wie es in einer Beschlussvorlage der CSU-Landesgruppe für ihre Klausurtagung in Wildbad Kreuth in wenigen Tagen heißt.

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21 Kommentare

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  • Wirtschaftsflüchtling im eigenem Land!

    Wer betrügt, der fliegt!

    Find ich sehr gut Herr Seehofer. Wer im Staatsdienst ist und den Bürger betrügt, der hat es nicht verdient Diener des Staates und seiner Bürger zu sein. Wer als Verwaltungsangestellter des Staates den Bürger wissentlich in Sackgassen, oder Irrwegen durch den Bürokratiedschungel schickt und Kundesservice als Betrug am Bürger versteht, gehört entlassen. Oder hab ich da was falsch verstanden?

    Das Deutschland bereit ist 10 000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen, statt 5000, ist zwar lobenswert, aber nicht der4. Dimension des Flüchtlingslager angemessen. Auch der größe und der Wirtschaftskraft und Vorbildfunktion in Europa viel zu wenig. Finden Sie nicht auch, Herr Seehofer? Und wie finden Sie es vorher die Flüchtlinge im eigenem Land erst einmal angemessene Startmöglichkeiten zu geben, statt in den Selbstmord zu treiben?

  • LS
    Linke sind lustig

    Also, wer 3 Monate Karenz für Sozialleistungen bei Einwanderern anmahnt, ist Rassist. Hmm, das werde ich mal in den USA, Australien oder Neuseeland erzählen. Ich glaube, die lachen sich über uns schlapp. Oder besser nicht, vielleicht weisen sie mich auch in die Geschlossene ein. Also, Herr Riexinger, eher diese Länder meiden.

    • RS
      Rechte stellen sich blöd
      @Linke sind lustig:

      Bitte lesen Sie doch alles noch mal. Wer muss denn bereits geltendes EU-Recht "anmahnen"? Auch die Bayern profitieren von der Zuwanderung, das schon seit vielen Jahren, und die CSU hetzt trotzdem - nur so zum Spass, scheinbar - gegen Zuwanderer. Und das ist genauso rassistisch wie zB der Texaner, der zwar gegen die Arbeitsmigration aus Mexiko ist, aber den unterbezahlten Gärtner oder die billige Krankenschwester dann doch ausnutzt. Da gibt es überhaupt nichts zu lachen.

  • Q
    Quartalsrassismus

    Riexinger beteiligt sich nunmehr an der völligen Banalisierung des Rassimusbegriffs. Machen wir uns daran, einen neuen Begriff für das zu suchen, was ehedem damit bezeichnet wurde. Dummlinks hat es endgültig geschafft, dass der alte nicht mehr zu gebrauchen ist.

  • ID
    Ist doch egal

    Mir ist egal welcher Flügel der Einheitspartei sich mit welchem anderen Flügel streitet und was dazu die "Opposition" sagt die anderswo mit dem einen oder anderem Flügel wiederum regiert. Was die alten Medien zu dem Thema schreiben ist so absehbar wie Rekordernteberichte in der DDR. Die Realität kommt so oder so und noch haben wir freie Wahlen. Entweder liefern die Einheitspartei und die Opposition oder ich werde das nächste mal die AfD wählen. Und wenn es nur ist, damit ein paar Kaderbonzen, egal welcher Färbung, mal wieder in der Realität leben müssen.

    • I
      Irrlicht
      @Ist doch egal:

      Bitte vorsichtig mit solchen Portestwahlaktionen. Denken Sie an Österreich - die durften sich dann ne Weile mit Jörg Haider rumschlagen.

  • PH
    Peter Haller

    "..die CSU fische am rechten Rand"

    So ein Blödsinn !

    Die CSU IST ein Fisch am rechten Rand !! Und zwar ein ganz grausliger !

  • F
    Frost

    Wie das!? Arbeitnehmerfreizügigkeit? Die ist doch seit Schröder abgeschafft. Freie Züge für die Wirtschaft-,das ist doch die Parole.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @Frost:

      Genau, da hast du recht, aber das merkt doch keiner, deshalb sind diese Show-Einlagen so wirksam, besonders bei den Medien der konfusionierenden Überproduktion von Kommunikationsmüll :-)

  • U
    uffmuppffel

    also ich finds gut, dass ihr meine kommentare nicht veröffentlicht. wo kommen wir hin, wenn sich menschen mit mühevollen argumenten, die auf logik und freiheitlichem gedankengut basieren, einfach in jede argumentation einmischen könnten. ich habe gelernt, und werden nun wieder zu wüsten beschimpfungen neigen.

     

    währenddessen kann die taz vielleicht über staatsterrorismus, die wahren hintergründe und schuldigen der derzeitigen kriege oder geschichtsfälschungen schweigen.

    • @uffmuppffel:

      Hallo Uffmuppffel,

      es scheint sich wohl um ein technisches Problem zu handeln, denn wir haben Ihre Kommentare nicht gelöscht.

      • G
        gast
        @Moderation:

        wenn die nicht gelöscht wurden, wo sind die Kommentare dann von uffmuppffel ??

         

        Auch ich vermisse immer wieder Kommentare, wenn man sagt was man denkt, oder was man befürchtet. Scheint wohl alles unter Rassismus zu fallen, obwohl ich nur ein normal denkender Mensch bin, der weiter denkt, der auch schreibt was er befürchtet, wenn es in D. so weitergeht.

  • D
    Dirk

    Die 'Zuwanderung' aus den armen Ländern Rumänien und Bulgarien ist nicht populär - darauf ziel der Vorstoß der CSU. Dass es bei so großen sozio-ökonomischen Ungleichgewichten eine komplette Freizügigkeit gibt, führt oft zu Dumpinglöhnen und billigen Exportauftragsnehmern. Darauf hat die SPD keine Antwort, die CSU auch nicht. Wer eine Firma aus Warschau beautragt, muss keinen deutschen Mindestlohn zahlen, da liegt ein Problem, denn die Löhne in Rumänien und Bulgarien sind noch niedriger. Und bislang kommen nur wenige hoch-qualifizierte Arbeitnehmer oder Firmen aus diesen Ländern nach Deutschland.

     

    Bislang wirkt sich vor allem die Roma-Politik dieser Staate negativ aus: Unter Missachtung aller Standards werden Roma dort zu Bürger 2. und 3. Klasse gemacht. Dazu schweigen dann die Außenminister und jeder sucht dann einen Weg, diese Roma wieder in ihr Leid in ihrer Heimat zu schicken. Das ist doch keine EU-Politik wie sie sein sollte, das ist schon längst ein Alptraum und eine Aushöhlung der EU überhaupt.

     

    Dabei machen Länder wie Frankreich und Deutschland aber auch mit - und ich wette, dass Steinmeier diese Politik weiter miträgt und umsetzt. Wäre die EU anders, wären die meisten Probleme auch anders.

  • D
    D.J. (P.S.)

    Vielleicht sollte dieser seltsame Steinmeier einmal S. 105 des Koalitionsvertrages zum Thema Armutszuwanderung durchlesen. Wenn er jemals wieder für voll genommen werden möchte. Ich sehe jedenfalls keine Differenzen zu den CSU-Äußerungen:

     

    https://www.documentcloud.org/documents/842702-koalitionsvertrag-cdu-csu-spd-2013-finale-version.html#document

    • G
      gast
      @D.J. (P.S.):

      Danke, jetzt kann ich stets nachlesen, was da so beschlossen wurde.

  • L
    Lowandorder

    Da schau her - der Uhu spricht:

     

    "…Diese sei ein „unverzichtbarer Teil der europäischen Integration“, von der Deutschland „ungemein und sicher viel mehr als andere profitiert“ habe.…"

     

    - HOLA - hör' ich da ne Nachtigall trapsen?

    "Lohndumping, Deregulierung des Arbeitsmarktes. Hartz-IV-Verbrechen……"

    (anders als bei Kurnaz)… 'tschuldigung???¿¿"

     

    oder - nur sone Welle!?

    son spezialdemokratisches Knallfröschchen!?

     

    Wir dürfen gespannt sein;-))

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    „Quartalsrassismus" - Ja, das ist eben die systemrationale Intriganz für den "freiheiltich-sozialen" Wettbewerb um ..., die SPD kann im parlamentarischen Marionetten-Theater eben nicht früh genug anfangen mit dem koalitionären Stunk, weil: je länger diese dauert, desto schlechter stehen die Chancen bei der nächsten Wahl!

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @688 (Profil gelöscht):

      "Arbeitnehmer-Freizügigkeit" - Oh ja, ein wunderbares Symptom der heuchlerischen Intriganz für den "freiheitlich-sozialen" Wettbewerb um ... - die einen sprechen von einem "Mindestlohn", die "anderen" von Angst um den Mittelstand, das Unternehmertum, dem Wachstumswahn, usw., aber beide rütteln nicht am Sklaventum der Menschheit.

  • D
    D.J.

    Könnte mir bitte einmal jemand erklären, inwiefern sich die CSU "gegen Arbeitnehmer-Freizügigkeit" (Steinmeier) ausgesprochen habe? Bei aller Mühe finde ich nichts dergleichen. Mir scheint eher, die CSU verweist auf geltendes EU-Recht, worüber sich SPD (Grüne/Linke ohnehin) empören. Kasperletheater.

  • GS
    gnadenloser Spötter

    "Wer betrügt, fliegt."

    Das sei gegen die EU.

    Im Umkehrschluss:

    Die Eu ist auf Betrug aufgebaut.

    • G
      gast
      @gnadenloser Spötter:

      Ich finde es vollkommen richtig was die CSU da fordert.

      Wir mögen ein weltoffenes Land sein (müssen) aber wir müssen auch haushalten können.

       

      Das kann Deutschland bislang wohl mit wenig Erfolg, sonst hätten wir nicht so viele Schulden, sonst hätte man den Rentnern die Rente nicht wegreformiert, sonst hätte man den Rententopf nicht plündern können - dürfen, jedenfalls wäre Rückzahlung in den Rententopf wichtig gewesen, es waren ja so an die 600 Milliarden.