Diskussion nach Terrorwarnung: Wieviel Überwachung brauchen wir?
Nach der Terrorwarnung für Deutschland wird darüber diskutiert, was uns schützen könnte. In Namibia wurde in einem Flug Richtung München ein Gepäckstück mit Zündmechanismus gefunden.
BERLIN afp/dapd/dpa/rts | Nach den konkreten Warnungen vor geplanten Terroranschlägen in Deutschland ist eine Diskussion über die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen entbrannt. Der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, warnte am Donnerstag vor "Sicherheitsdefiziten". Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, forderte eine Wiederaufnahme der Vorratsdatenspeicherung.
Deutschland habe "in der Entwicklung einige Schritte verpasst", sagte Freiberg dem Hamburger Abendblatt. So sei die Bevölkerung nicht ausreichend auf die Folgen eines Anschlags vorbereitet. Die Lage sei ernst. Es müsse nun "alles Menschenmögliche" getan werden, "um die Bevölkerung vor der Gefahr zu schützen", sagte Freiberg.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Mittwoch gesagt, es lägen konkrete Hinweise auf Anschlagspläne islamistischer Kreise in Deutschland noch in diesem Monat vor. Es gebe "Grund zur Sorge, aber keinen Grund zur Hysterie". Bund und Länder verstärkten in ganz Deutschland die Sicherheitsvorkehrungen. Am Donnerstag wurde ein möglicher versuchter Sprengstoffanschlag auf ein deutsches Flugzeug aus Namibia bekannt.
Schon vor dem Terroralarm in Namibia hatte der Unionspolitiker Uhl im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger verbesserte Möglichkeiten zur Überwachung der Telekommunikation gefordert. "Nur die Nachrichtendienste können uns helfen, solche terroristische Bedrohungen frühzeitig zu erkennen. Wenn dieses Chance vertan wird und sich der Terrorist mit der Bombe unterm Arm auf den Weg gemacht hat, hat der Staat verloren." Es sei "völlig undenkbar", dass die Menschen ohne Vorratsdatenspeicherung geschützt werden könnten.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Regelung zur Vorratsdatenspeicherung im März gekippt. Seither dürfen Telefon- und Internetdaten nicht mehr ohne Grund sechs Monate lang gespeichert werden. Die Union drängt auf eine baldige Neuregelung, die FDP hat sich bislang gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen.
Auch NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hält ebenso wie die Polizei eine Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen Terroristen für dringend geboten. "Datenschutz ist selbstverständlich. Allerdings dürfen wir im Sinne der Opfer nicht so weit gehen, dass Straftaten nicht mehr ordentlich ermittelt und Straftäter nicht zur Rechenschaft gezogen werden können." Jäger forderte vom Bundesinnenminister und der Bundesjustizministerin, einen verfassungskonformen Gesetzentwurf vorzulegen.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast widersprach sofort heftig. Die Rückkehr zu der Massenspeicherung von Telefonverbindungsdaten sei "definitiv der falsche Weg", sagte Künast in Berlin. Künast räumte ein, die Hinweise auf mögliche Anschläge seien offenbar sehr konkret. "Das muss man ernst nehmen", sagte sie.
Doch gehe es nun darum, "in aller Ruhe und systematisch" vorzugehen. Man müsse alles, "was nötig ist und Sinn macht", an Maßnahmen ergreifen - "alles, was rechtlich zulässig ist". Die "anlasslose Vorratsdatenspeicherung" sei dagegen nicht nötig und habe sich als nicht durchsetzbar erwiesen.
In der Neuen Osnabrücker Zeitung sprachen sich der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), und FDP-Fraktionsvize Gisela Piltz gegen schärfere Gesetze als Reaktion auf die Terrorwarnung aus. "Die veränderte Bedrohungslage ist kein Grund für gesetzgeberischen Aktionismus", sagte Bosbach. Gefragt sei vielmehr das richtige Maß an Aufmerksamkeit und Gelassenheit.
Piltz sagte der Zeitung, die Behörden verfügten über "eine Vielzahl wirksamer Möglichkeiten, um die Sicherheit der Menschen in Deutschland zu gewährleisten". Ein "immer weiteres Drehen an der Verschärfungsschraube" sei daher nicht nötig.
Mitten in der Diskussion um mehr Sicherheit hat die namibische Polizei ein Gepäckstück mit einem Zündmechanismus in einer Maschine der deutschen Fluggesellschaft LTU/Air Berlin gefunden. Die Polizei habe das Gepäckstück in Windhuk sichergestellt, teilte das Bundeskriminalamt am Donnerstag mit. Es sei für einen Flug von Namibia nach Deutschland vorgesehen gewesen. Es habe Batterien enthalten, die über Kabel mit einem Zünder und einer laufenden Uhr verbunden waren. Noch sei unklar, ob es sich bei der Vorrichtung um einen funktionsfähigen Sprengsatz gehandelt habe.
Entgegen der Angaben vom BKA heißt es bei der Fluggesellschaft Air Berlin, dass das Gepäck nicht ausdrücklich für Deutschland bestimmt gewesen sei. Das Gepäckstück habe keinen Ziel-Aufkleber gehabt, sagte eine Sprecherin.
Die Passagiere des Fluges sowie das gesamte Gepäck und der Airbus seien vor Abflug nochmals kontrolliert worden. Sie seien wohlbehalten in der Nacht in München angekommen, teilte das BKA weiter mit
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