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Dirk Kurbjuweit neuer „Spiegel“-ChefredakteurNeue Spitze beim Magazin

Erneut endet ein Machtkampf beim „Spiegel“ mit dem Abgang des Chefredakteurs: Steffen Klusmann verlässt das Magazin, Dirk Kurbjuweit wird Nachfolger.

Dirk Kurbjuweit am 8. 4. 2011 während der Aufzeichnung der ZDF-Talksendung „Nachtstudio“

Hamburg dpa/taz | An der Spitze des Nachrichtenmagazins Der Spiegel gibt es einen Wechsel: Steffen Klusmann (57) gibt den Posten des Chefredakteurs ab. Der langjährige Spiegel-Autor Dirk Kurbjuweit (60) übernimmt ab sofort. Das teilte das Medienhaus am Donnerstag in Hamburg mit.

Seit Mittwoch drangen immer Gerüchte nach außen, der Kommunikationsdruck wuchs. Das Medienhaus äußerte sich zunächst nicht zu „Gerüchten“. Am Donnerstagabend hieß es dann: Klusmann verlasse die Chefredaktion nach der Umsetzung weitreichender Reformen in den vergangenen Jahren „im gegenseitigen Einvernehmen“. Der 57-Jährige war seit Anfang 2019 Chefredakteur.

Klusmann wurde in der Mitteilung unter anderem mit den Worten zitiert: „Wir haben eine ganze Menge gemeinsam erreicht. Zuletzt haben Geschäftsführung und ich in entscheidenden strategischen Fragen allerdings allzu oft keine Einigkeit erzielt – was nun mein Ausscheiden zur Folge hat.“

Spiegel-Geschäftsführer Thomas Hass sagte: „Wir sind Steffen Klusmann zu großem Dank verpflichtet für seine wegweisende Arbeit in den vergangenen fast fünf Jahren, allem voran für die Zusammenführung der Print- und Online-Redaktion und die Erfolge in unserer digitalen Abo-Strategie.“ Man hätte sich in den vergangenen Jahren keinen Besseren vorstellen können. Man bedauere, „dass es am Ende nicht gelungen ist, unsere immer sehr gute Zusammenarbeit für die Zukunft fortzusetzen.“

Priorisierung des Digitalangebots

Für die Nachfolge sei Gesellschaftern und Geschäftsführung wichtig gewesen, laufende Reformprojekte mit verlässlicher Stabilität voranzutreiben und die Priorisierung des Digitalangebots zu intensivieren.

Co-Geschäftsführer Stefan Ottlitz sagte über den neuen Chefredakteur Kurbjuweit, dieser habe „ein klares Bild davon, wie unser Journalismus im Digitalen wie in Print weiterzuentwickeln ist zwischen Tempo und Tiefe, und er hat sowohl als Autor als auch in Leitungsfunktionen vorgemacht, wie man das Profil des Spiegel schärft. Auf eine weitere Markenprofilierung kommt es gerade in unserer Pay-Strategie an, und deren Erfolg ist für unsere journalistische wie wirtschaftliche Unabhängigkeit essenziell.“

Kurbjuweit ist schon lange für das Magazin tätig. In 24 Jahren war er etwa von Februar 2015 bis Dezember 2018 bereits stellvertretender Chefredakteur, seither ist er Autor im Hauptstadtbüro. Der preisgekrönte 60-Jährige hat zudem mehr als zehn Bücher verfasst.

Der Spiegel hat eine verkaufte Auflage von gut 700.000 Exemplaren. Die Spiegel-Gruppe erzielte 2022 einen Umsatz von 267 Millionen Euro, das ist ein leicht rückläufiges Ergebnis. Der für Medienhäuser so wichtige Werbemarkt schwächelt schon länger und dämpfte auch die Zahlen bei der Spiegel-Gruppe. Beim Vertrieb der journalistischen Angebote gab es ein Plus.

Player mit Einfluss

Das Hamburger Medienhaus baut schon länger seine Digitalstrategie aus und bündelte das Bezahlangebot unter der Marke „Spiegel+“ mit inzwischen mehr als 300.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Strategischer Kopf dahinter ist Geschäftsführer Ottlitz, der vor Jahren von der Süddeutschen Zeitung zum Spiegel wechselte und im Hamburger Verlagshaus immer mehr an Einfluss gewann.

Beim Spiegel ist die Mitarbeiter-Kommanditgesellschaft (KG) ein mächtiger Player mit Einfluss im Haus. Sie hält die Hälfte der Anteile am Verlag und kann bei Topjobs mitbestimmen. Nicht alle Mitarbeiter sind Teil der Beteiligungsgesellschaft, was auch zu Unmut führt, weil sich eben nicht alle per se von ihr vertreten fühlen.

Wer bei Spiegel Online arbeitet, ist nicht automatisch in der KG. Seit Online und Print 2019 zumindest inhaltlich zusammengelegt wurden, sind alle neuen Stellen bei Online angesiedelt. Erst nach einigen Jahren kann man aufgenommen werden, bis dahin gibt es weder Mitsprache noch eine Gewinnbeteiligung.

Ein Schreiben aus den Reihen der Redaktion am Mittwoch mit Kritik an der KG-Führung und Spiegel-Geschäftsleitung, das als Zeichen des Rückhalts für Klusmann zu deuten ist, legte diesen Konflikt erneut offen.

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2 Kommentare

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  • Das jüngste arrogante sich Lustigmachen und Abwerten von Redakteur Latsch über die Letzte Generation zeigt, dass der Spiegel vollkommen den Anschluss an neue soziale Bewegungen verloren hat.

    Das Heft politisch diffus, hat immer öfter einem Drall nach rechts und ist im hinteren Heftteil aufgrund seiner Gala-Bebilderung eine Zumutung an jeden femistischen Leser. Das Feuillton ist richtungs- und belanglos.

  • Auch wenn die Zahl der Online-Abos beim Spiegel im Steigen begriffen ist, so lässt sich damit noch immer deutlich weniger verdienen als mit Print. Und hier ist der Spiegel nur noch ein Schatten früherer Zeiten. Selbst die gut 700.000 "verkaufte" Auflage ist eher kosmetisch. Zieht man die Bordexemplare, Lesezirkelausgaben und stark rabattierten "Sonstigen Verkäufe" ab, verbleiben laut IVW nur 555.000 im 1. Quartal 2023. Daher kommt auch der hektische Aktionismus der letzten Jahre und der spürbare Qualitätsverlust.