Direkte Deomkratie: Bürger rütteln an Mediaspree
Das Bürgerbegehren gegen die Großprojekte am Spreeufer in Friedrichshain-Kreuzberg läuft gut, die Zahl der dafür notwendigen Unterschriften ist bereits nach der Hälfte der Zeit deutlich überschritten.
Carsten Joost ist sichtlich zufrieden: "Wo immer jetzt über Mediaspree berichtet wird, wird es als hochumstrittenes Projekt präsentiert. Das ist doch ein Erfolg." Joost gehört zur Bürgerinitiative "Mediaspree versenken". Die hat im Oktober ein Bürgerbegehren gegen den Verbund von Großprojekten eingeleitet, die am Spreeufer von Friedrichshain-Kreuzberg gebaut werden sollen. Und es läuft gut für die Bürgerinitiative: 5.000 Wahlberechtigte aus dem Bezirk müssen bis zum 1. April unterschreiben, damit es zu einem Bürgerentscheid kommt - 9.000 Unterschriften haben die Initiatoren jetzt, nach gut der Hälfte der Zeit, bereits zusammen. Trotz widriger Umstände, wie Joosts Mitstreiter Daniel Knopp betont. Schließlich ist es Winter. "Mitunter mussten die Leute den Schnee von den Listen wischen, um zu unterschreiben", sagt Knopp. "Und sie standen immer noch Schlange."
Seit Jahren dümpeln die Planungen für das Medienquartier vor sich hin, ohne größere Wellen zu schlagen - das plötzliche Interesse hat das Projekt nun erschüttert. Denn für Mediaspree ist es schwieriger geworden, Interessenten und Finanzierung für die Projekte zu finden. Für den Verein, zu dem sich 2001 Grundstückseigner und Investoren des Gebietes zusammengeschlossen hatten, damit er die Projekte am Spreeufer vermarktet, könnte 2008 so nicht nur ein schwieriges, sondern gar das letzte Jahr werden: Im Dezember läuft die Förderung aus, mit der Bezirk und Land den Verein unterstützen. Dass sie verlängert wird, schließt Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) aus.
Auch nicht alle Beteiligten sind über die jüngsten Schlagzeilen glücklich. Ob das Bürgerbegehren die Investoren interessiere, wisse er nicht, blockt Michael Reimann von der Berliner Hafen- und Lagerhaus-Gesellschaft (Behala) ab. Die Behala, ein stadteigener Betrieb, will möglichst bald ihre Grundstücke am Osthafen verkaufen. Mitten in den Verhandlungen sei man, so Reimann. Doch im Dezember hat das Bezirksamt die Bauplanungsverfahren für den Osthafen gestoppt. Es will erst den Ausgang des Begehrens abwarten, das fordert, auf einem 50 Meter breiten Uferstreifen keine neuen Gebäude zu bauen.
"Natürlich spüren wir die Auswirkungen des Bürgerbegehrens", sagt Christian Meyer, Geschäftsführer des Vereins Mediaspree, "das macht es schon schwerer, Investoren zu finden." Ein wenig besorgt wirkt er, die Stirn in Falten, als sei ihm nicht ganz wohl bei der Sache, in die er da geraten ist. All diese Themen, mit denen er sich jetzt beschäftigen müsse: Ablauf eines Bürgerbegehrens, Zuständigkeiten zwischen Bezirk und Land. Dass die Polizei ihn gewarnt hat, Mediaspree sei ins Visier der autonomen Szene geraten, kommt ihm eher übertrieben vor. Aber vor kurzem sei sein Auto abgebrannt, und, na ja, da mache man sich schon Gedanken.
Viel Unterstützung seitens der Politik hat er bisher nicht bekommen. Während die Bürgerinitiative ihr Anliegen in Versammlungen vorstellte, durch Presseerklärungen verbreitete, mit Aktionen bekräftigte, haben die Verantwortlichen in Land und Bezirk - überrascht, geschockt, erfreut über das plötzliche Interesse - bisher wenig Antworten gegeben, was die aktuelle Entwicklung für die Fortsetzung der Projekte denn nun heißt. Stattdessen bemühen sie sich um Harmonie. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) schwärmte bei einem Ortstermin im Dezember zwar, der Spreeraum sei inzwischen weit über Berlin hinaus als Medienstandort bekannt. Gleich darauf betonte sie, es gehe auch darum, möglich zu machen, was die Bevölkerung wünscht: einen Zugang zum Wasser.
Ebenfalls im Dezember hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein Faltblatt zum Spreeraum herausgegeben, in dem das Wort Mediaspree allerdings sorgfältig vermieden wird. In einer Pressemappe der Verwaltung ist zudem penibel aufgelistet, wie viele Infoveranstaltung in den letzten zwei Jahren stattfanden. Dem Vorwurf, da sei etwas über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden worden, soll entgegengetreten werden. "Wir wollen dasselbe", betont Bürgermeister Schulz ein ums andere Mal, als gehe es darum, ein Missverständnis aus der Welt zu räumen: Grünflächen, öffentliche Räume, Zugang zum Wasser.
Doch wie geht es weiter, wenn die Initiative die nötigen Unterschriften einreicht? "Was die Bauplanung betrifft", sagt Bürgermeister Schulz, "hat das Bürgerbegehren nur ersuchende Wirkung." Das Ergebnis müsse letztendlich in inhaltlichen Debatten gefunden werden. Aber sich über diese Entwicklung einfach hinwegsetzen, das könne und wolle er natürlich nicht.
Schulz sagt auch, er freue sich, dass das Motto "Spreeufer für alle" jetzt auch in der Bevölkerung so viel Anklang finde. Schließlich habe dieser Grundsatz die Planungen von Anfang an begleitet. "Spreeufer für alle", das ist das Motto des Bürgerbegehrens. "Dass Schulz diesen Slogan jetzt einfach für seine eigenen Planungen verwendet, ist schon dreist", sagt Carsten Joost. Es gehe ihnen schließlich nicht nur um einen Uferwanderweg, sondern um ein neues Konzept für das Spreeufer. Ein Konzept, das man, wie er sagt, wieder "behutsam" nennen könne. "Die Grundlage der aktuellen Planungen ist ja immer noch das Planwerk Innenstadt", fügt Knopp hinzu. Und das sei damals davon ausgegangen, dass Berlin binnen kurzer Zeit auf über fünf Millionen Einwohner wachsen würde.
Bis 1. April will "Mediaspree versenken" weiter Unterschriften sammeln: 15.000, sagen die Initiatoren, wären "sehr, sehr gut". Falls es dann zu einem Bürgerentscheid kommen sollte, liegen die Hürden freilich höher: Dann müssen 15 Prozent der Wahlberechtigten sich beteiligen. "Aber das", sagt Joost, "wäre ja dann zum Glück im Sommer."
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