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Diplomatin mit flinkem Mundwerk

Als personifizierter Synergieeffekt stopft Reba McEntire, die in einer Show 15 Kostüme schaffte, die Umsatzlöcher zwischen Hollywood und Nashville  ■ Von Jörg Feyer

Wenn nichts mehr hilft, hilft vielleicht nur noch die Erkenntnis, daß „alles im Leben seinen Grund hat“. Reba McEntire, die in rund 20 Karriere-Jahren gut 40 Millionen Platten mit Licht (neotraditionalistische Country-Songs) und Schatten (plattes Pop-Pathos) losschlagen konnte, hat sich schon öfter damit getröstet. Nur so konnten die 44jährige Tochter eines Rodeo-Champions aus Oklahoma weder der Verlust ihrer langjährigen Tour-Crew (Flugzeugabsturz), noch die schwierige Schwangerschaft mit dem jetzt 8jährigen Shelby, aus dem Superstar-Orbit werfen. Den hatte die Diplomatin mit dem flinken Mundwerk spätestens 1988 erreicht, als sie in Umfragen bei US-Jugendlichen immerhin vor Cindy Lauper und Stevie Nicks (Fleetwood Mac) rangierte.

Im selben Jahr emanzipierte sich McEntire zumindest geschäftlich mit ihrer Firma Starstuck Entertainment, nachdem „ich nicht damit zufrieden war, wie andere Leute meine Angelegenheiten regelten“. Die Verantwortung für über 100 Leute auf ihrer Gehaltsliste brachte sie sogar dazu, nicht an Bord der Titanic zu gehen. Regisseur James Cameron wollte McEntire nach geglücktem Casting unbedingt als Molly Brown vor die Kamera stellen. Doch sie mußte passen, weil die Drehtermine mit Tour-Verpflichtungen kollidierten, die sie nicht noch einmal über den Haufen werfen mochte.

Als personifizierter Synergie-Effekt stopft der drahtige Rotschopf längst die Umsatzlöcher zwischen Hollywood und Nash-ville. Ihre US-Single „Forever Love“ (Pop-Pathos) gab auch einem TV-Film den Titel, in dem McEntire eine Komatöse gibt, die nach 22 (!) Jahren doch noch ins Leben zurückfindet. Niemand würde sich mehr trauen, freut sie sich über aktuelle Drehbuchangebote, „mich mit einem Cowboyhut ins Stroh zu setzen“.

Der Country-Boom der 90er treibt ihr denn auch keine Sorgenfalte ins Gesicht. Gerade für ihr Geschlecht habe sich „alles zum Guten“ gewandelt: Frauen produzieren, managen, landen mehr Hits denn je. Und dürfen dabei sogar Schimpfwörter benutzen, die lange auf dem Index standen, McEntire selbst aber nach wie vor nicht über die Lippen wollen. Auch das Etikett „queen of the victim songs“ bereitet ihr keine Probleme. Schließlich seien „wir alle mal Opfer: in der Liebe, bei der Arbeit oder bei der Frage: Wer bekommt die Kinder?“

Die Besucher ihrer ersten Deutschland-Tour bekommen jedenfalls nur eine abgespeckte Version von McEntires US-Show zu sehen, die drüben sogar die Umsatzrekorde eines Garth Brooks gefährdete. Die alten Umziehrekorde sind ja ohnehin passé, seit beim Skifahren ein Bein kompliziert zu Bruch ging. Davor soll sie 15 Kostüme in 120 Minuten geschafft haben.

Do, 21. Januar, 20 Uhr, CCH1

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