Diplomatie zwischen EU und Russland: Dialog ohne echte Annäherung
Der Dialog wird zwar wieder aufgenommen, die Kluft zwischen Russland und der EU ist aber weiterhin groß. Barroso: Russland sendet "widersprüchliche Signale".
Ein zentraler Punkt des erweiterten Partnerschafts- und Kooperationsabkommens zwischen Russland und der EU für die Europäer ist ein geplantes Energiefrühwarnsystem. Russland soll seine Handelspartner informieren, bevor es Gas- oder Öllieferungen drosselt oder stoppt. Ansonsten soll der Vertrag, wie das bestehende Abkommen von 1997, den politischen Dialog voranbringen. Handel und Wirtschaftspartnerschaften sollen ebenso gefördert werden wie Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit, Umweltschutz, grenzüberschreitende Verbrechensbekämpfung und gemeinsame kulturelle und wissenschaftliche Projekte. DSP
Am Ende protestierte nur noch das kleine Litauen. Die übrigen 26 europäischen Außenminister sprachen sich Anfang der Woche bei ihrem Treffen in Brüssel dafür aus, die Verhandlungen mit Russland über ein neues Partnerschaftsabkommen wieder aufzunehmen. Dabei hatte nur wenige Tage zuvor der russische Präsident Dmitri Medwedjew angekündigt, Raketen in der Exklave Kaliningrad zu stationieren, um den geplanten US-Raketenschild in Polen und die Radaranlage in Tschechien zu "neutralisieren".
Die EU hatte die Verhandlungen Anfang September als Reaktion auf Russlands Rolle im Kaukaususkrieg ausgesetzt. Bis vor Kurzem waren Schweden, Polen, Estland und Großbritannien gegen eine Wiederaufnahme des Dialogs. Doch inzwischen sind auch diese Staaten zu der Überzeugung gelangt, dass nur Gespräche Bewegung in die verhärteten Fronten bringen können.
Zu der Meinungsänderung dürfte die Finanzkrise ebenso beigetragen haben wie Russlands infolge des gesunkenen Öl- und Gaspreises geschwächte wirtschaftliche Stellung oder die durch die US-Wahlen veränderte internationale Konstellation.
Es liege im europäischen Interesse, den Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen zu lassen, lautet die neue diplomatische Formel. Bereits am 5. November empfahl die EU-Kommission, neue Verhandlungstermine mit Russland festzusetzen. In der entsprechenden Mitteilung hieß es, dass die EU den Status quo in Georgien nicht akzeptieren könne. Der Rückzug russischer Soldaten aus der Pufferzone zwischen Georgien und Südossetien sei "ermutigend", obwohl "noch mehr zu tun bleibt".
Der französische Außenminister Bernard Kouchner bewertet die russische Kooperationsbereitschaft im Kaukasus ebenfalls positiv. Fünf der sechs Bedingungen aus dem Waffenstillstandsabkommen habe Russland ohne Einschränkungen erfüllt. Das zeigt, dass die Europäer bereit seien, beide Augen zuzudrücken, um mit Russland im Gespräch zu bleiben. Denn auf ihrem Kaukasus-Sondergipfel am 1. September hatten sich die EU-Staaten auf einen klaren Standpunkt festgelegt: "Solange sich die Truppen nicht auf die Positionen zurückgezogen haben, die sie vor dem 7. August innehatten, werden die Treffen zur Aushandlung des Partnerschaftsabkommens verschoben", heißt es in der Schlusserklärung. Das aber ist bislang nicht geschehen. Vor dem Kaukasuskrieg waren in den georgischen Teilrepubliken Südossetien und Abchasien 2.000 russische Soldaten stationiert. Heute hat Russland auf diesem Gebiet 7.600 Soldaten.
Ein rasches Ergebnis ist in Nizza allerdings nicht zu erwarten. Wie schwierig die Beziehungen sind, zeigt auch die aktuelle Debatte um die Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland: Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin hatte am Mittwoch gedroht, Russland werde den Bau der Pipeline stoppen, wenn die skandinavischen und baltischen Staaten das Projekt weiter aufhielten. "Europa muss entscheiden, ob es Gas aus russischen Pipelines in der von uns angebotenen Menge haben will oder nicht. Wenn nicht, werden wir diese Pipeline nicht bauen", sagte er bei einem Treffen mit dem finnischen Ministerpräsidenten Matti Vanhanen.
Diese Forderung wies die EU-Kommission prompt zurück: Der Bau der umstrittenen Gasleitung sei in erster Linie ein "kommerzielles Projekt", sagte der lettische EU-Energiekommissar Andris Piebalgs am Donnerstag in Brüssel. "Wir brauchen diese Pipeline, aber wenn die Risiken zu hoch sein sollten, dann lässt sich das nicht ändern", fügte er mit Blick auf umweltpolitische Bedenken mehrerer Ostsee-Anrainerstaaten hinzu.
Kein Wunder also, dass Kommissionspräsident José Manuel Barroso von "widersprüchlichen Signalen" spricht, die Russland derzeit sende. "Medwedjew hat Erklärungen abgegeben, die zum Teil nicht das Gefühl größerer Sicherheit vermitteln." Andere Äußerungen aber gingen "durchaus in die richtige Richtung", sagte er am Donnerstag in Brüssel. Er hoffe auf eine Aussprache auf dem Gipfel in Nizza: "Ich glaube, wir befinden uns hier wirklich an einem wichtigen Scheidepunkt."
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