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Diplom mit Geldsorgen

■ Neues Bafög-Gesetz hebelt die Abschlußförderung aus/Studis beim Sozialamt

Andreas Kraft studiert im 9. Semester Maschinenbau an der Hochschule Bremen. Im nächsten Semester plagt ihn ein „dickes Problem“: Die Diplomarbeit steht vor der Tür, doch ab Oktober versiegt der Baföghahn - das Ende der Förderungshöchstdauer ist erreicht. Bisher hatte Andreas fest mit einer Finanzspritze vom Bafög-Amt gerechnet. Doch ab 1. August ist die Abschlußförderung, die bisher wie das Bafög zur Hälfte Zuschuß und Darlehen war, nur noch als verzinstes Bankdarlehen zu haben und muß voll zurückgezahlt werden. Schuld ist das neue Baföggesetz, das ab jetzt gilt und für sozial schwache Studis nichts Gutes verheißt.

Im Juli beschlossen Bundeskanzler Kohl und die Ministerpräsidenten der Länder das neue Gesetz. Dabei kam das Bafög ungeschoren davon und wird auch weiterhin je zur Hälfte als Zuschuß und Darlehen gewährt - Studiengebühren scheinen vorerst vom Tisch. Doch bei der Abschlußförderung wird jetzt der Sparstift angesetzt. Auch die Förderungshöchstdauer wurde in vielen Studiengängen auf neun Semester bei Uni- und sieben bis acht Semester bei Fachhochschulstudiengängen verkürzt. Die Bedarfssätze, die eigentlich alle zwei Jahre erhöht werden und die Baföghöhe bestimmen, bleiben ebenfalls gleich. Das politische Ziel: Die Studis sollen schneller studieren und dem Staat nicht länger auf der Tasche liegen. Diese Linie hat bereits Erfolg: In Bremen gab es 1993 noch 6.200 BafögempfängerInnen, in diesem Jahr sind es nur noch rund 5.000.

Vor allem sozial schwachen Studis wird der Geldhahn immer mehr zugedreht. Jürgen Polka, Leiter im Bremer Bafög-Amt, bestätigt: „Für einige wird es deutliche Verschlechterungen geben“. „Ich habe mein Studium mit der Gewißheit begonnen, finanziell abgesichert zu sein“, regt sich der Maschinenbau-Student Andreas Kraft auf. Jetzt muß er bei einer Abschlußförderung mit 50 bis 100 Mark Zinsen pro Monat rechnen, bei einem Bafögsatz von 960 Mark. Denn der Zinssatz liegt bei 4,45 Prozent, im Durchschnitt ist mit 8 Prozent zu rechnen. Noch ein halbes Jahr muß Andreas am heimatlichen Schreibtisch über seiner Diplomarbeit brüten, danach stehen die Prüfungen an. Seinen Sekretariatsjob kann der Student dann an den Nagel hängen. Das ernüchternde Fazit: „Ich weiß nicht, wovon ich dann leben soll.“ Schulden machen will der 26jährige nicht. „Wie soll ich diesen ganzen Mist dann wieder zurückzahlen?“

Andreas Kraft will sich jetzt beim Sozialamt schlaumachen. Doch laut Sozialhilfegesetz sind Studis, egal ob Bafögempfänger oder nicht, von Hilfeleistungen ausgenommen. „Für Studis sieht's ganz schlecht aus“, verrät Thomas Beninde von der Aktionsgemeinschaft arbeitsloser BürgerInnen und Bürger (AGAB), der schon viele Studis beraten hat. „Wer mit seinem Studium in den letzten Zügen liegt, kann maximal sechs Monate Darlehen beantragen“, sagt er. Doch die Sozialhilfe muß wieder zurückgezahlt werden. Wer sich jedoch kurz vor der Prüfung einfach exmatrikuliert, könne durch diesen Trick Hilfe zum Lebensunterhalt ganz ohne Darlehen bekommen. Die Studis sollten sich auf jeden Fall vorher beraten lassen. Beninde verweist auf das neue Sozialhilfe-Telefon, das aktuelle Tips und Nummern für Studenten, Azubis und Schüler ansagt (Tel. 19702). Auch das Bremer Studentenwerk will helfen: Das Bafög-Amt bereitet jetzt eine Broschüre zum neuen Baföggesetz vor, die bald in Unis und Fachhochschulen ausliegen soll. kat

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