Digitalisierung in Deutschland: Endlich Fortschritt
Nein, dass irgendwann überall hierzulande schnelles WLAN und guter Empfang zur Verfügung stünden, ha, das wäre übertrieben. Aber es tut sich was!
W ir schreiben das Jahr 2029. Endlich ist es so weit: Mobilfunk und WLAN halten auch in Deutschland verstärkt Einzug. Die Netzabdeckung wird zwar noch lange nicht an die in der Sahara heranreichen, doch für einen Notruf genügt sie oft schon. Man darf halt nicht im Wald sein. Oder zu nah an den Bergen, in Brandenburg, in Nebenstraßen oder überhaupt an irgendeinem Ort, an dem kein ausreichender Empfang besteht. In solchen Fällen lässt sich wohl auch weiterhin nichts machen, das ist dann eben so.
Ein erstaunt gemurmeltes „Das Internetz ist eine feine Sache“ ist neuerdings selbst innerhalb der CDU zu hören. Fast vierzig Jahre lang hatten meist schwarz dominierte Regierungen auf die Entwicklung digitaler Infrastruktur geschissen, und Deutschland peu à peu vom Rest der Welt abgehängt.
Wozu neue Technologien, solange man die alten noch benutzen kann? Immer diese Veränderungen! Schließlich gab es ja das brave Faxgerät (Siemens), mit dem bei den mittlerweile jährlich neu hereinbrechenden Amsel-, Fuchs- und Hasenseuchen die Fallzahlen zuverlässig vom Krankenhaus an die Gesundheitsämter übermittelt werden konnten. Das war doch noch wie neu. Und nicht zu vergessen: mit dem Füllfederhalter sauber von Hand verfasste Briefe – ein Hoch auf jahrtausendealte Kulturtechniken!
Auf einmal aber weht ein frischer Wind durchs Land, der die bewährten deutschen Kommunikationsmittel einfach hinwegfegt: Neben dem Fax drohen Postkutsche, Festnetztelefon, Meldereiter, Flaschenpost, Rohrpost, Post-it an der Wohnungstür, Telepathie, Teleangiektasie, Brieftauben, Rauchzeichen sowie das legendäre „Zwitscherdütsch“, ein archaisches Pfeifsystem über die Schluchten hinweg von Bergdorf zu Bergdorf, zu musealen Erinnerungen degradiert zu werden.
Modernisierung jetzt!
Nun stehen alle Zeichen klar auf Aufbruch – im Bastelkeller des Reichstags liegen bereits drei frisch gelieferte Sendemasten und mehrere Meter Glasfaserkabel bereit. Denn als Armin Laschet, Ehrenvorsitzender der Union im Ruhestand, nach einem Herzanfall im Funkloch keine Hilfe bekam, erlebte Deutschland eine Epiphanie sondergleichen. Von Wagenknechts Sozialnationalisten bis hin zu Höckes aus der Landsberger Festungshaft herausgeführten Nationalsozialisten schwor man sich über sämtliche Parteigrenzen hinweg: Modernisierung jetzt!
Der schlafende Digitalriese räkelt sich vernehmlich in seinem Bett, ehe er dann doch noch mal die Snooze-Taste drückt. Man will am Ende nichts übereilen, denn wie mein weiser Futurologe Zbigniew sagt: „Wo das Rennpferd stürzt, lacht der Maulwurf.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga