Digitale Transformation: Die taz bleibt wie sie war – anders

Paywalls, staatliche Hilfe für Zustellungen, Finanzierung durch Spenden – die Medienbranche ist im Zuge der Digitalisierung auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen. Was plant die taz?

Ob Tablet, Handy oder gedruckte Zeitung: Die Inhalte der taz bleiben dieselben. Bild: Karsten Thielker

Von ANDREAS MARGGRAF

Seit Februar bin ich nun Geschäftsführer der taz – und habe mich seitdem intensiv mit der digitalen Transformation der Zeitung und ihrer Zukunftsfähigkeit beschäftigt. Seit März arbeiten wir – Geschäftsführung, Chefredaktion und ein Team von Produktentwickler*innen – an der Weiterentwicklung der taz. Erste Ergebnisse wurden bereits auf der Generalversammlung der taz Genossenschaft vorgestellt, wo wir sehr gute Rückmeldungen bekommen haben.

Zu solch einem Prozess gehört indes auch, sich immer wieder zu fragen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Wenn ich mir die Lage auf dem Tageszeitungsmarkt anschaue und mit unseren Plänen vergleiche, kann ich dies eindeutig mit „Ja“ beantworten. Das möchte ich Ihnen gern erläutern.

Jahrgang 1969, war Geschäftsführer der taz Nord, Controller der taz Entwicklungs KG, Finanzchef bei Ärzte ohne Grenzen (Berlin und Amsterdam) und ist seit Februar Geschäftsführer der taz in Berlin.

Die taz war schon immer anders. Sie wurde nicht wegen des Profits gegründet, sondern wegen der Inhalte, mit alternativem, anspruchsvollem wie wachem Journalismus. Und als Zeitung, die zunächst ihren Vereinsmitgliedern gehörte und seit 1992 als Genossenschaft organisiert ist, war sie nie Mitglied des BDZV, des Bunds Deutscher Zeitungsverleger. Umso erstaunlicher, dass Kalle Ruch, noch bis Ende des Jahres Mitglied der Geschäftsführung, Ende September auf dem Zeitungskongress des BDZV als Redner eingeladen war, um über das Zukunftsszenario der taz zu sprechen.

Dass die Vorstellung, die Zeitung an Werktagen in Zukunft nicht mehr zu drucken, nicht überall auf Gegenliebe stoßen würde, war nicht überraschend, ist der Abschied von der täglich gedruckten Zeitung doch ein schwer vorzustellender Einschnitt in unsere Medienkultur. Dass aber gerade Mathias Döpfner, Springer-Chef und BDZV-Präsident, die taz-Strategie lobend unterstützte, hätte man sich zu Zeiten der Gründung unserer Zeitung nicht vorstellen können. Aber er tat dies natürlich nicht ohne Seitenhieb, denn er lobte diese Strategie als „eine vorbildliche kapitalistische Leistung“.

Ist die Vorstellung, Zeitungen nicht mehr täglich zu drucken, tatsächlich eine „gefährliche Wahrsagerei, die die Leser*innen vorschnell aufgibt“, wie es der Verleger Martin Balle sieht? Oder ist es nicht eher so, dass die Leser*innen selbst die gedruckte Zeitung aufgeben, indem sie keine Printzeitungen mehr abonnieren und stattdessen digitale Produkte nutzen?

Die gesamte Medienbranche eint die Suche nach einem neuen Geschäftsmodell der tagesaktuellen Publizistik

Was alle in der Medienbranche eint, ist die Suche nach einem neuen Geschäftsmodell der tagesaktuellen Publizistik – nach dem Wegbrechen der durch Anzeigen und Printabonnements finanzierten Tageszeitung. Damit hört die Gemeinsamkeit aber auch schon auf. Der BDZV fordert staatliche Hilfen für die Zustellung von Zeitungen.

Fraglich ist, ob das bei kontinuierlichem Sinken der Druckauflagen eine tragfähige Zukunftslösung ist, zumal diese Forderung auch eine Abhängigkeit vom Staat bedeuten würde. Für die taz kommt hinzu, dass sie aufgrund ihrer überregionalen Verbreitung kein eigenes Zustellnetz betreiben kann und schon jetzt von einem komplizierten und immer unzuverlässigerem Zustellsystem der Regionalzeitungen abhängig ist.

Eine andere Idee ist, den Journalismus als gemeinnützig anzuerkennen und ihn damit über Spenden zu finanzieren. Eine Bundesratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Ziel der Änderung der Abgabenordnung will es ermöglichen, dass Medien, die nicht kommerziell betrieben werden und der Selbstregulierung durch den Pressekodex unterliegen, als gemeinnützig anerkannt und damit steuerbegünstigt werden. Damit soll die für die Demokratie so wichtige Medienvielfalt erhalten bleiben.

Für Initiativen und Vereine, die im Bereich von investigativem Journalismus arbeiten, ist dies sicher eine gute Möglichkeit der Finanzierung. Aber nicht für Geschäftsmodelle, bei denen mit Abonnements, die auf Leistungsaustausch beruhen (Abonnementgelder gegen Zeitungsprodukte), Erlöse für die Finanzierung eines wirtschaftlichen Verlagsgeschäfts erzielt werden sollen.

Fraglich ist auch, ob es genügend Spender*innen für eine solche Finanzierung geben würde. Für die Verlage des BDZV ist dies daher keine Lösung. Auch für die taz könnte es nur in einigen Bereichen, wie bei der taz Panter Stiftung oder dem freiwilligen Bezahlmodell taz zahl ich hilfreich sein, nicht aber beim Geschäftsbetrieb mit Abonnements, der auch zukünftig den größten Teil der Erlöse der taz ausmachen wird. Klar ist, dass mit digitalen Publizistikmodellen Geld verdient werden muss.

Neben der Einführung von digitalen Abos oder Paywalls für die Internetseiten der Zeitungen ist eine Lösung, die immer wieder diskutiert wird, die Einführung von Plattformangeboten. Für eine Flatrate soll man ähnlich wie zum Beispiel bei Netflix Zugang zu einem Mix aus Medienangeboten bekommen. Für Lesende, die gern einen Überblick über diverse Meinungen zu bestimmten Themen haben, ist das gewiss eine schöne Lösung. Sie verkennt aber, dass Zeitungen ja gerade die Funktion haben, ihren Lesenden einen Nachrichten- und Meinungsüberblick zu geben und ihnen damit eine „Heimat“ zu sein. Darüber hinaus wäre die Frage, wer dafür eigentlich den Preis bestimmt und was die einzelnen Medien am Ende daran verdienen.

Die digitale Transformation gibt es nicht umsonst – aber wie kann sie finanziert werden?

Der mäßige Erfolg solcher Angebote zeigt, dass dies nicht die Lösung für die Zukunft ist. Gerade für die taz, bei der sich die Lesenden stark mit ihrer Marke und ihrer Community solidarisieren, wäre dies kein einleuchtender Weg. Und bei der sich zeigt, dass das freiwillige Zahlmodell taz zahl ich für den freien Zugang zum Internetangebot bestens funktioniert. Denn es basiert eben auf dieser Idee der Community und der Solidarität.

Die digitale Transformation gibt es nicht umsonst. So stellt sich die Frage, wie sie finanziert werden kann. Eigentümer*innenwechsel wie bei der Le Monde in Frankreich, bei der Berliner Zeitung oder beim Axel-Springer-Verlag in Deutschland geben zwar Hoffnung, dass in die Zukunft der Zeitungen investiert wird. Aber lassen sich die ehrgeizigen Ziele so umsetzen, dass Unabhängigkeit und Qualität des Journalismus gewahrt bleiben und gleichzeitig genügend Gewinne gemacht werden, um die Investitionen zu finanzieren?

Die taz hat mit der Genossenschaft zum Glück ein Modell, das sowohl eine stabile Kapitalbasis gewährleistet, gleichzeitig aber auch die Unabhängigkeit des Journalismus sichert. Bald 20.000 Genoss*innen sind schon dabei und sichern so die Zukunft der taz.

Und was bringt uns die ganze Digitalisierung? Bei der taz bezahlen schon heute täglich über 16.000 Lesende für die digitale Ausgabe der taz als ePaper oder in der App und finanzieren so einen wesentlichen Teil der Redaktion. Monatlich verzeichnet unsere Webseite 6 Millionen Besuche, über 17.000 taz.de-Nutzer*innen leisten einen regelmäßigen Beitrag für taz zahl ich. In den sozialen Medien haben wir 576.000 Follower bei Twitter, 290.000 bei Facebook und 35.000 bei Instagram. Unsere Blogs werden monatlich über 80.000-mal besucht.

Damit erreicht die taz über ihre verkaufte Druckauflage von täglich circa 28.000 (am Wochenende etwa 45.000) hinaus so viele Menschen wie nie zuvor. Die Digitalisierung lohnt sich also nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für das, wofür die taz gegründet wurde: für eine linke Gegenöffentlichkeit. Ist es nicht genau das, woran wir seit über 40 Jahren arbeiten?