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Archiv-Artikel

Diese „netten Männer“

betr.: „Ich hätte gerne gehört, dass ich existiere“ von Heide Oestreich, taz.mag vom 13. 12. 03

Auch wenn die Autorin den Anschein zu erwecken versucht, eine neutrale Position zu beziehen, so ist doch eine Parteinahme für den „armen“ Vater unverkennbar. Wenn sie von dem „schmalen Mittdreißiger“, „Trennungsvater“ und „verletztem“ Menschen, der seine „Qualen akribisch“ dokumentiert hat, spricht, erinnert das sehr an einen „Lore“-Roman, von der taz ist mir der Stil bisher unbekannt. Auch die Erwähnung des „heimeligen Gefühls“, das sich einstellt, wenn auf dem Heimweg vom Spielplatz eine „Vater-Sohn-Debatte“ (!) geführt wird, ob Apfel oder Weingummi zuerst gegessen wird, zeugt von einer hohen Affinität zu dem Mann. Es fällt auf, dass sie derartige positive Zuschreibungen an die Mutter nicht macht. Im Gegenteil: Niemand könne „bescheinigen“, dass der Mann oft ausfällig wird, wie es die Mutter sagt.

Es ist doch bekannt, dass Männer, die ihre Frauen psychisch und physisch misshandeln, häufig in der Öffentlichkeit als „gute Männer“ wahrgenommen werden; wie oft haben wir schon erlebt, dass sogar nach so genannten Familienstreitigkeiten, bei denen Frauen und/oder Kinder ihr Leben lassen mussten, interviewte Bekannte sagen, sie können das nicht glauben, „er war doch immer so freundlich“. Eine Binsenweisheit also, dass diese „netten Männer“ sich außerhalb der Familie völlig unauffällig verhalten. Warum ist die Frau in ein Frauenhaus geflüchtet? Der Mann weiß es: Um dort von den Beraterinnen das „Drehbuch“ zur Erlangung des Sorgerechts und der Wohnung zu bekommen!

Wir als Frauennotrufe wissen, welche Kämpfe auf den Schultern der Kinder ausgetragen werden und haben uns deshalb immer gegen die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts als Regelfall ausgesprochen. Im vorliegenden Fall zeigt schon die Klage des Vaters, dass er mit der Mutter nicht über „Frisurenfragen“ reden kann und es deshalb hinnehmen muss, dass sein Sohn im Sandkasten mit einer „Pisspottfrisur“ neben ihm sitzt, wie unmöglich eine gemeinsame Sorge ist. Wenn sich seine Sorge in erster Linie auf die Frisur bezieht, die die Mutter dem Sohn verpasst hat, möchte man sagen: Mann, hast du Sorgen!

Die Entscheidung des Familienrichters der Mutter die alleinige Sorge zu übertragen, ist also zu begrüßen, auch wenn es Heide Oestreich nicht gefallen mag! TRAUDL WISCHNEWSKI, Notruf-Mit-arbeiterin und Sprecherin der autonomen Bayer. Frauen-Notrufe

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