Dienstnummern: Bremer Polizisten kriegen ein Gesicht
In Bremen soll die Kennzeichnung von Polizisten kommen. Statt Namensschildern könnte es individuelle Codes geben. Niedersachsen lehnt eine Regelung ab, in Hamburg verhandeln CDU und Grüne noch.
In Berlin ist sie für 2010 angekündigt, im Norden wird über eine Kennzeichnung von Polizisten durch Namensschilder oder Zahlencodes weiter diskutiert. Amnesty International, die Grünen und die Linkspartei fordern bereits seit einigen Jahren, dass in so genannten geschlossenen Einheiten, die bei Demonstrationen eingesetzt werden, alle Polizisten identifizierbar sind.
Zumindest in Bremen haben sie Erfolgsaussichten. "Wir diskutieren, ob es bald eine grundsätzliche Kennung gibt", sagt Rainer Gausepohl, Sprecher von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Über Namensschilder werde aber nicht gesprochen. Dies lehnt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auch ab. "Eine namentliche Kennzeichnung schließe ich aus", sagt Harry Kuck, Vorstandsmitglied der GdP Bremen. Das sei ein zu starker Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Polizisten. Außerdem gefährdete es das Privatleben der Beamten, wenn gewaltbereite Demonstranten ihren Namen erführen. Eine codierte Kennzeichnung "wäre aber ein Ansatz".
Die Bremer Grünen zeigen Verständnis für die Polizisten: "Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit haben, sich zu beschweren, da ist es sinnvoll wenn man jemanden erkennen kann", sagt Björn Fecker, Innenpolitischer Sprecher. "Eine Nummer reicht aber aus." Die Diskussion über die Kennzeichnung läuft laut Fecker unabhängig von dem Vorfall in Berlin, bei dem ein Polizist einem Demonstranten dreimal ins Gesicht schlug. "Es nur aus aktuellem Anlass besprechen zu wollen, halte ich für Effekthascherei", sagt Fecker. Solange noch nichts beschlossen ist, bleibe er aber noch skeptisch. Dass es einen Beschluss geben wird, davon ist Björn Tschöpe (SPD) überzeugt: "Ich halte das für machbar bis 2010 und wüsste nicht, was dagegen sprechen würde."
Christiane Schneider, Innenpolitikerin der Linken, bekam vom Hamburger Senat auf eine kleine Anfrage folgende Antwort: 1999 bis 2008 gab es insgesamt 2.461 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzung.
Vier Verfahren davon wurden mit einer Verurteilung abgeschlossen. Dreimal gab es Bewährung für die Beamten, einmal eine Geldstrafe
Zu keiner einzigen Verurteilung kam es von 2005 bis 2008, alle Verfahren wurden ergebnislos eingestellt
Eine zweite kleine Anfrage von Christiane Schneider an den Senat ergab: Im zweiten Halbjahr 2008 gab es 199 Beschuldigungen wegen Körperverletzung im Amt
158 Verfahren wurden nach § 170 StPo (ungenügender Anlass zur Erhebung einer Anklage) eingestellt, 38 laufen noch
204 Beschuldigungen gab es im ersten Halbjahr 2009, 102 wurden eingestellt, 99 laufen
Was in Bremen funktioniert, wird in anderen Nord-Ländern aber abgelehnt. Für das Niedersächsische Innenministerium kommt eine Zahlenverschlüsselung nicht in Frage. "Das vermittelt den Eindruck von Anonymität und Distanz und hilft keinem Bürger", sagt Sprecher Frank Rasche. Mit der gleichen Begründung wurde bereits im vorigen Jahr ein Antrag der Grünen zur Kennzeichnung abgelehnt. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte damals, dass es "völlig klar ist, dass wir da nicht mitmachen". Auch die niedersächsische Polizeigewerkschaft spricht sich gegen eine Kennzeichnungspflicht aus.
In Hamburg ist seit 1995 geregelt, dass Polizeibeamte im Fußstreifendienst Namensschilder tragen. Für die Einsatzhundertschaften gilt das aber nicht. "Für diese Beamten gilt die Freiwilligkeit, die Zugführer tragen aber Namensschilder", sagt Thomas Buttler, Sprecher von Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU). Codierungen für alle Beamten einzuführen, ziehe die Innenbehörde nicht in Betracht. Im vorigen Jahr hat Ahlhaus in einer Innenausschusssitzung jedoch gesagt, dass er es "persönlich gern hätte", dass alle Polizisten ein Namenschild tragen. Grundsätzlich handele der Beamte in Hamburg rechtmäßig und habe deswegen nichts zu verbergen. Die Grünen geben an, dass sie in der Koalition darüber sprechen, das Thema ist laut Sprecher Matthias Schröter aber noch nicht abgeschlossen.
Ein Antrag der Linken zur Kennzeichnung wurde im Innenausschuss abgelehnt - mit Stimmen der Grünen. Laut Christiane Schneider (Linkspartei) sollte der Senat vor der Sommerpause einen Bericht vorlegen, in dem die individuelle Kennzeichnung behandelt wird. Der liegt noch nicht vor. "Für uns ist das Thema aber noch nicht gestorben", sagt Schneider.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste