piwik no script img

Die unterbezahlten Stars der Videospiele"Grand Theft Auto"-Star will mehr Geld

Michael Hollick spricht die Hauptfigur in "Grand Theft Auto IV". Lukrativ ist das nicht. Schuld daran: fehlende Regelungen über Tantieme bei Videospielen.

Kann sich von seinem Honorar keinen solchen Schlitten leisten, beklagt "Niko". Bild: screenshot rockstargames.com

100.000 Dollar. Das ist die Summe, die Michael Hollick, US-Schauspieler mit einem besonderen Talent für osteuropäische Akzente, laut einem Bericht der New York Times (NYT) für seine Arbeit als Hauptdarsteller des Spielehits "Grand Theft IV" erhalten hat. Der Betrag wirkt auch deshalb recht mickrig, weil Hollick, der die Rolle des zerrütteten Gangsters Niko Bellic spricht, dafür insgesamt 15 Monate regelmäßig im Tonstudio schuften und sich ständig verfügbar halten musste. Dagegen gestellt sind die Einnahmen, die allein in den ersten drei Wochen vom Hersteller Rockstar Games mit "GTA IV" erzielt wurden, gigantisch: Der Umsatz soll bei minimal 600 Millionen Dollar gelegen haben, sagen Branchenbeobachter.

Trotzdem beschwert sich Hollick nicht über sein Honorar oder seinen Auftraggeber. Er habe die Summe schließlich selbst ausgehandelt und sei damit an Arbeitstagen auf ein Tageshonorar von über 1.000 Dollar gekommen, sagte er der NYT. Was ihn hingegen mächtig stört, ist die aktuelle vertragliche Situation: Kreative Mitarbeiter an Videospielen erhalten bislang nämlich alleine Pauschalhonorare für ihre Tätigkeit und keinerlei Tantiemen. Im Gegensatz dazu sind Schauspieler für Filme, TV-Produktionen und Werbespots in den USA seit Jahrzehnten stets prozentual am Umsatz beteiligt - ihre Gewerkschaften haben entsprechende Deals ausgehandelt. Gäbe es die auch für die aufstrebende Games-Branche, wäre jemand wie Hollick nun innerhalb von wenigen Tagen zum Millionär geworden. Er danke Rockstar Games trotzdem für die Chance, die ihm der Auftritt in dem Spiel ermöglicht habe. "Bis jetzt war ich ja ein Nobody", meinte er.

Dass Tantiemenregelungen fehlen, ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Videospiele je nach Statistik die Geldquelle Hollywood umsatzmäßig inzwischen hinter sich gelassen haben soll - die Musikbranche, in der es ebenfalls traditionell Tantiemenregelungen gibt, erst recht. So können Hitschreiber und Sänger auch Jahrzehnte nach einer Songveröffentlichung mit Einnahmen rechnen und damit zum Teil sehr gut leben.

Ein weiterer weißer Fleck auf der Tantiemenkarte ist das Internet. Auch hier fehlt es an Regelungen, weshalb die US-Autorengewerkschaft Writer's Guild (WGA) bis zum Frühjahr auch monatelang streikte, was das gesamte US-TV-Geschäft durcheinanderbrachte. Den Fehler, zu geringe Umsatzbeteiligungen auszuhandeln, wie man dies bei DVDs gemacht hatte, wollte die WGA im Netz nicht wiederholen, während die Medienkonzerne darauf drängten, man mache mit dem Netz doch "fast keinen Umsatz", erwirtschafte mit Werbung und Downloadverkäufen bislang Peanuts.

Diese Argumentation kann die Videospielebranche nicht nutzen, dafür läuft das Geschäft bei den Toptiteln zu gut. "GTA IV" ist so der beste Verkaufsstart eines Games in der Geschichte der Industrie. Die Angst vor Tantiemenregelungen ist laut "NYT"-Quellen vor allem deshalb so weit verbreitet, weil sie bedeuten könnten, dass neben Schauspielern, die Spielfiguren ihre Stimme leihen - manchmal, per so genanntem Motion Tracking, auch ihr Aussehen oder zumindest ihren Gang -, auch andere Gruppen wie Grafiker oder 3D-Experten eine Beteiligung fordern. Spieleproduktionen umfassen inzwischen gigantische Teams, allein "GTA IV" soll ein Budget von über 100 Millionen Dollar gehabt haben, was an Hollywood-Streifen herankommt. Mitwirkende werden dabei wie Sessionmusiker behandelt: Solche Bandmitglieder und Backgroundsänger, die ungenannt auf Platten bekannter Künstler mitspielen, erhalten ebenfalls nur ein einmaliges Honorar.

Insbesondere im Hinblick auf das Internet ergibt sich so eine interessante Diskrepanz: Während Medienkonzerne aktiv gegen Raubkopierer vorgehen, auf ihre Urheberrechte pochen, strenge Kopierschutzverfahren zwingend vorschreiben und dabei auch mit dem Argument vorgehen, man wolle seine Künstler schützen, versuchen sie auf der anderen Seite verstärkt, in den rechtlichen Verhandlungen zu so genannten "Total Buyouts" zu kommen. Mit einer Einmalzahlung sollen dann alle Copyrights an sie übergehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!