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Die umgetaufte Feuertaufe

■ Vergessen Sie, was in Ihrer TV-Illustrierten steht (und verwechseln Sie nicht den TV-Kanal): Es ist der unprätentiöse Justizkrimi "Der geheime Zeuge", den die ARD heute abend um 20.15 Uhr zeigt. Wirklich.

Rumeiern beim Run auf die Quote durch Tricksen bei Titeln und Terminen für Fernsehfilme galt bisher eher als krampfhafte Kür der Kommerzkanäle.

Spätestens ab heute ist nicht mehr zu verhehlen, daß sich mit derlei Kinkerlitzchen auch die Herren Programmdirektoren der ersten Reihe in den Klub der Eiertänzer gesteppt haben. Ironischerweise stellen sie das jetzt ausgerechnet da unter Beweis, wo's eigentich um „Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit“ gehen soll. So jedenfalls der Name der preisverwöhnten SWR-Reihe von Justizkrimis mit Aufklärungs-Touch. In der sollte heute ursprünglich ein neues Lehrstück aus der Feder vom Breinersdorfer Fred auf die Mattscheibe. Geschrieben und gedreht war's als „Feuerteufel“. Doch wurde der Titel zur Presse-Premiere Anfang März erst noch schnell zum „Duell der Richter“ hochgejubelt, dann schwenkte die ARD-Programmdirektoren-Konferenz zur Überraschung des SWR kurz vor dem Sendetermin ganz um – auf den anderen neuen Film dieser Reihe, den sie eigentlich erst am 4. August senden wollte. Der heißt, wie etwa Spiegel oder Hör zu auch wahrheitsgemäß vermelden, „Feuertaufe“. Doch – Konfusion komplett – haben die ARD-Obereierer sich's dann noch mal anders überlegt und die gerade eben reingetauschte „Feuertaufe“ kurzerhand umgetauft.

Trotzdem muß die Äthiopierin Dennenesch Zoudé als junge Anwältin Jana Hallberg (mit autobiographischen Zoudé-Einsprengseln in der Vita) da jetzt durch. Sie macht das unaufdringlich selbstbewußt als Personifizierung der unverwüstlichen Maxime, wonach „Wahrheit immer die beste Verteidigung“ sei. Was selbstredend wieder mal weit weniger einfach wird, als es sich anhört. Erst kriegt die arbeitslose Einser-Juristin vom väterlichen Kommissars-Freund ein Pflichtmandat zugeschanzt. Doch ihr Mandant beharrt darauf, am Tod seines Sohnes, der sich nach einem Streit der beiden beim Sturz in einem Fabrikhof das Genick brach, schuld zu sein. Dann kriegt sie in der konservativen Großkanzlei, die sie zunächst ihrer Hautfarbe wegen abblitzen ließ, überraschend doch den vakanten Posten. Dafür soll sie dann ihren verstockt-geständigen Mandanten opfern – höherer Interessen wegen. (Die, obwohl mit „Afric Oil“ etikettiert, leicht als die im Shell- Konflikt in Nigeria auszumachen sind.)

Und für das Autoren-Duo Achim Zons & Uwe Petzold spricht, daß es dabei schlichtes Schwarzweiß-Strickwerk vermieden hat: Jana-Dennesch kommt den Fieslingen ihrer Anwalts-Camarilla zwar auf die Schliche, findet dabei auch heraus, wer ihren Mandanten entlasten könnte, muß aber zur Kenntnis nehmen, daß die sauberen Herren Advokaten (für viel Geld, versteht sich) – die richtige Seite vertreten. Der Zweck heiligt die Mittel, oder was?

Unprätentiös, wenn auch hie und da, wie momentan modisch, in unerfindliches Regengeprassel, Blau- und Grünstichigkeit getaucht, hat das ganze Peter Schulze-Rohr in Szene gesetzt. Der mehrfach dekorierte TV-Veteran (Jahrgang 1926), der in seinen (und des Fernsehens) frühen Zeiten als Auslandskorrespondent in Afrika arbeitete, hatte nicht nur mit dem ersten „Tatort“ im November 1970 Kommissar Trimmel im „Taxi nach Leipzig“ geschickt und 19 Jahre später Ulrike Folkerts „Lena Odental“ erfunden. Dem studierten Juristen verdankt die ARD auch diese an echten Rechtsfällen orientierte Reihe. Auch deswegen hätte seine „Feuertaufe“ pfleglichere Behandlung verdient.

Mit ihrer hektischen Taktiererei tropedierten die ARD-Eierköpfe nämlich nicht nur selber die ihnen ansonsten so teuren „Applaus, Applaus, Applaus: Qualität macht Quote!“-Rituale. Sie schossen auch eine dumme Doublette: Schulze-Rohrs Film steht jetzt zwangsumgetauft als „Der geheime Zeuge“ – zapp! – vs. „Der letzte Zeuge“, den das ZDF bekanntermaßen mittwochs um diese Zeit aufbietet. Ulla Küspert

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