: Die telegene Trabant-Tour
Die Geschichte der Mauer könnte total verloren gehen, befürchtete der Erfinder der „Trabi Experience“, Bastian Krüger – und machte eine Geschäftsidee daraus. Mit DVD und Tourenplan dürfen Touristen sich die DDR-Historie selbst erfahren, doch Vorsicht: Der Trabi-Komfort ist schon die halbe Erfahrung
VON SERGE SEKHUIS
Ruckelnd setzt sich der 20 Jahre Jahren alte Trabi in Bewegung. Ein überdachter Motorroller. scherzt Fahrer Bastian Krüger, während ein neugieriger Tourist diese fahrende Rarität schnell noch mal im Bild festhalten will. Die rund zweistündige Trabi-Tour durch das historische Berlin beginnt beim Brandenburger Tor und führt durch dichten Verkehr in Richtung Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße. Krüger zieht vorsichtig an der Gangschaltung. Dann aber muss er voll auf die Bremse des hellgrünen Autochens treten. Originalgetreu im Ostalgie-Stil, ist der Trabi natürlich nicht mit einer Bremsunterstützung ausgerüstet. Der Kilometerzähler zeigt 100.000 gefahrene Kilometer.
Ich bin der erste Kunde des 27-jährigen Westberliners, der 14 war, als die Mauer fiel. Stadtrundfahrten in voll gepackten Bussen gibt es schon zu viele, meint Krüger. So dachte er sich seine „Trabi Experience“ aus.
An der Straße des 17. Juni hat er seit dieser Woche seine zwei Original-Trabanten geparkt. Beide technisch überholt. Hier können Touristen einsteigen zu einer Entdeckungsreise entlang der Orte, wo es einmal die verfluchte Mauer gab. Geschichte, die, „wenn wir sie nicht in Erinnerung halten, total verloren gehen könnte,“ befürchtet der junge Einmanndirektor.
Selbst fahren in diesen musealen Autochen, die DDR noch einmal erspüren. Ein körperliches Gefühl der Enge bekommen, das ist die ganze Idee hinter dieser „Trabi Experience“. Eine Erfahrung, die im harten Verkehrsalltag Berlins einige Schwierigkeiten mit sich bringen könnte. Bastian Krüger ist das durchaus klar. So erfordert das Trabifahren einige Improvisationskunst, das charmante Innenleben dieses Exoten könnte Berlinunerfahrene auch ablenken. Krüger befürchtet Zusammenstöße. Oder schlimmer, dass sich die Touristen gar nicht mehr zurückmelden und die Trabis als Souvenir nach Hause fahren.
Krüger, einst Mechaniker, arbeitet noch an einem Ortungssystem für seine beiden Wagen. Dann könnte er jederzeit sehen, wo die beiden gerade sind. Zwar muss jeder Tourist vor dem Losfahren seine Personalien hinterlegen, aber wenn besonders Neugierige für die Tour vier statt zwei Stunden brauchen, wird er schon mal nervös.
Trotz Historie bietet der rumpelige Trabbi aber auch High-Tech-Infos: Über einen eingebauten DVD-Spieler höre und sehe ich – allerdings nur auf Deutsch –, warum der Ort, vor dem ich gerade parke, eigentlich so historisch ist und was dort genau passierte. Vor dem Brandenburger Tor krächzt Walter Ulbrichts Stimme: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten!“ Auch Krüger muss jetzt lächeln.
Seine Existenzgründung hat er ein halbes Jahr lang vorbereitet, vom Ankauf der zwei Trabis – die heute gar nicht mehr so einfach und billig zu bekommen sind – bis zum Selbsteinbau der DVD-Anlage und der Suche nach historischen Bildern und ihrer Montage mit selbst gefilmten aktuellen Szenen. Alles in allem eine Investition von einigen tausend Euro. Klappt seine Initiative, hat er weiter gehende Pläne.
Schlusspunkt der Rundfahrt ist, wie der Start, am Brandenburger Tor. Zwar beginnt nicht die reale Geschichte hier, aber dafür Krügers Tour mit Ulbrichts falschem Versprechen. Und ganz so, als stünde die These vom Ende der Geschichte wieder auf, endet die Tour mit Günter Schabowski und Willy Brandt am 9. November und den Tagen danach. Eine wiedergewonnene Freiheit, die wir heute vielleicht zu wenig besonders finden.
Der Autor ist Redakteur beim holländischen Dagblad De Limburger und gegenwärtig zu Gast bei der taz Berlin info@trabi-x.de